„Über
die Unendlichkeit“ erzählt eine Vielzahl kleiner Geschichten:
Ein Priester, der seinen Glauben verloren hat, wird von seinem Arzt
und dessen Sprechstundenhilfe unsanft vor die Tür gesetzt, weil
der Arzt noch den Bus erwischen will. In einem Bus sitzt ein weinender
Mann, während die Fahrgäste um ihn herum darüber diskutieren,
ob man in der Öffentlichkeit einfach so seinen Gefühlen
freien Lauf lassen darf. Ein Vater ist mit seiner Tochter auf dem
Weg zu einer Geburtstagsfeier und bindet ihr die Schuhe. Über
den Ruinen des vom Zweiten Weltkrieg zerstörten Köln fliegen
ein Mann und eine Frau engelsgleich durch die Luft. Und viele weitere…
Die
Spielfilme des schwedischen Filmregisseurs Roy Andersson sind in Worte
schwer zu fassen. Man muss sie erleben, spüren und fühlen.
Trotzdem möchte ich mich seinem neuen Film „Über die
Unendlichkeit“ mit Worten nähern. Mit seinen drei Filmen
„Songs From The Second Floor“ (2002), „Das jüngste
Gewitter“ (2007) und „Eine Taube sitzt auf einem Zweig
und denkt über das Leben nach“ (2014) hat Roy Andersson
eine bildgewaltige Trilogie über das menschliche Wesen präsentiert,
die sich dem Thema auf eine sehr spezielle Art und Weise nähert.
Die Spielfilme sind ohne Handlung in einem engeren Sinne, durchzogen
von einem fundamentalen Pessimismus und warten mit viel schwarzem
Humor auf. Die Spielfilme sind durchzogen von starren Kameraeinstellungen,
die wie Gemälde komponiert sind. Dieser strenge Formalismus fordert
heraus und provoziert. In seinem neuen Spielfilm muss man auf die
typischen cineastischen Markenzeichen von Roy Andersson nicht lange
warten.
Weißgeschminkte
Männer, die wie Geister wirken, bevölkern die Szenen. Die
statischen Einstellungen sind präzise gestaltet und sind voller
historischer Referenzen. Der Regisseur ist ein Meister der Reduktion.
Doch so ganz kann dieser Spielfilm nicht überzeugen. Sind die
Stilmittel allzu bekannt und abgenutzt? Statt mit dem Grotesken zu
provozieren und zu glänzen, verliert sich der Film gerne in banalen
Momenten. Das ist schade, weil der Spielfilm über einige starke
Momente verfügt. So bleibt nach dem Abspann ein wenig Ratlosigkeit.
Trotzdem sei dieser Film allen Fans von anspruchsvollen Kunstfilmen
empfohlen. Es gibt viel zu entdecken und zu diskutieren. In einer
dunklen Zeit voller Banalität und Wiederholung bietet „Über
die Unendlichkeit“ Momente der wunderschönen wahnwitzigen
Zerstreuung. Es bleibt zu hoffen, dass wir noch viel von Roy Andersson
sehen werden.