KINO | 17.07.2020

WAVES

WAVES erzählt die bewegende Geschichte der afroamerikanischen Vorstadtfamilie Williams, die nach einem Schicksalsschlag wieder zu sich selbst finden muss. Eingebettet in die eindrucksvolle Landschaft Südfloridas und besetzt mit einem spektakulären Cast, zeichnet WAVES ein berührendes Bild von Liebe, Vergebung, Mitgefühl und familiärem Zusammenhalt.

von Richard-Heinrich Tarenz


© A24

Tyler Williams (Kelvin Harrison Jr.) ist 18, geht auf die Highschool und ist bereits jetzt schon ein begnadeter Ringkämpfer. Jeden Tag verlangt sein strenger Vater Ronald (Sterling K. Brown) neue Höchstleistungen von ihm. Natürlich will Tyler ihn nicht enttäuschen, weshalb er ehrgeizig ist und von einem Sportstipendium fürs College und einer anschließenden Profikarriere träumt. Doch will er das wirklich oder sind dies die Träume seines Vaters? Als Tyler schließlich eine lang verdrängte Schulterverletzung einholt und er einen Streit mit seiner Freundin Alexis (Alexa Demie) hat, führt dies zu einer tragischen Verkettung der Ereignisse. Emily (Taylor Russell McKenzie), Tylers Schwester, muss fortan mit den Folgen leben. Zum Glück gibt es ihren Mitschüler Luke (Lucas Hedges), der für sie zu einer großen Stütze in dieser schwierigen Zeit geworden ist. Doch auch er hat mit seinem kaputten Elternhaus zu kämpfen...

WAVES von Regisseur Trey Edward Shults ist ein für das Kinopublikum nicht gerade leicht zu konsumierender Film, der viele Fragen offenlässt und für viel Gesprächsstoff sorgt. Der dritte Spielfilm von Shults, der in der Vergangenheit als talentierter Indie-Regisseur in Erscheinung getreten ist, erweist sich als zweigeteilte Geschichte, deren Teile nur lose zusammenhängen. Wie der Titel andeutet, verläuft der Film wellenartig und überschüttet den Zuschauer immer wieder mit den unterschiedlichsten Emotionen und Phasen der Stille und der inneren Einkehr. Der Film glänzt mit großartigen visuellen Ideen und Stilmitteln und bleibt auf der erzählerischen Ebene widersprüchlich und zum Ende hin auch ein wenig zu lang mit 137 Minuten Spielzeit. Es ist ein großes Sittengemälde über die Kraft der Familie, sowohl im positiven, wie auch im negativen Sinne. Die Familie als Schauplatz von großen Konflikten und Dramen. Familie die trennt, aber auch verbindet.


© A24

Die Figuren in WAVES sind in manchen Momenten dem Zuschauer emotional sehr nah, in anderen Momenten jedoch sehr fern. Der Film verliert sich gerade in der ersten Hälfte in sehr langen Einstellungen, die sehr psychedelisch anmuten und unterlegt sind mit hypnotischer Indie-Musik oder Rap-Songs. Das hat auf den Zuschauer eine sehr spannende Wirkung, entschleunigt den Film und lässt den Zuschauer bisweilen etwas ratlos zurück. Es fehlt die klare Linie und das Ziel. Aber vielleicht ist diese Unklarheit, diese Unschärfe auch genau das richtige Stilmittel, um die komplexen Machtverhältnisse und Organisationsstrukturen innerhalb einer Familie auszuleuchten. Der Zuschauer wird in WAVES permanent gefordert. Auch in den Momenten der erzählerischen Ruhe herrscht niemals wirklich Stille.

Die Musik dient in der ersten Hälfte als Stimmungsbarometer für den seelischen Zustand von Tyler. Ebenso verändert sich der Film im Laufe der Handlung. Der Regisseur nutzt dafür verschiedene Seitenverhältnisse, was manchmal genial anmutet, manchmal aber auch nur aufgesetzt. Zuletzt endet Tyler schließlich in einem klaustrophobisch anmutenden 4:3 Format. Die zweite Hälfte von WAVES schließt daran an und beschreibt den Befreiungsprozess seiner Schwester nach den tragischen Familienereignissen. Das Bild wird größer und weitet sich. Sie erobert sich ihr Leben, ihr Glück, ihren Raum zurück. WAVES will nicht analysieren und erklären. Der Film will den Zuschauer emotional überwältigen und ihn spüren lassen was passiert. Es ist eine sehr archaische Herangehensweise, die viele Menschen verstört und fragen zurücklässt. Sehenswert ist der Film jedoch allemal.


WAVES

USA 2020 | Universal Pictures Germany | Start: 16. Juli 2020 (FSK 12)
R: Trey Edward Shults | D: Kelvin Harrison Jr., Taylor Russell McKenzie, Sterling K. Brown


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