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DVD & BLU-RAY | 13.08.2025

HEARTS OF DARKNESS

Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ gilt als Meisterwerk der Filmgeschichte – doch die Dreharbeiten waren ein Albtraum. Filmemacherin Eleanor Coppola dokumentierte das Chaos hinter den Kulissen und übergab das Material 1990 an George Hickenlooper und Fax Bahr. Ihre eindringliche Doku „Hearts of Darkness“ wurde 1991 in Cannes uraufgeführt und vielfach ausgezeichnet.

von Franziska Keil


© STUDIOCANAL 1991

Die Dokumentation „Hearts of Darkness“, die nun als Special Edition auf 4K UHD mit zahlreichen Extras für das Heimkino erschienen ist, ist weit mehr als eine bloße Retrospektive. Es ist ein singuläres filmisches Dokument, das die Entstehung eines Kinomeisterwerks in all seiner chaotischen und erschütternden Pracht festhält. Regie führt Eleanor Coppola, Francis Ford Coppolas Ehefrau, die das Geschehen mit einer beispiellosen Intimität und Ehrlichkeit festhielt. Die Dokumentation ist eine schonungslose, tiefgründige Analyse von künstlerischer Besessenheit, menschlicher Hybris und dem Preis, den es kostet, eine monumentale Vision zu verwirklichen. Ihre Bedeutung für die Filmgeschichte ist unbestreitbar: Sie ist ein unverzichtbarer Einblick in den Wahnsinn, der die Schöpfung oft begleitet. Der Hauptreiz von „Hearts of Darkness“ liegt in seinem ungeschminkten Zugang zum kreativen Prozess. Das von Eleanor Coppola aufgenommene Material bietet eine einzigartige Perspektive aus dem Innersten des Taifuns, der die Produktion von „Apocalypse Now“ war. Wir erleben die logistischen Albträume auf den Philippinen hautnah: ein ausuferndes Budget, Naturkatastrophen, die das Set zerstörten, und die Unvorhersehbarkeit der Hauptdarsteller. Die Dokumentation zeigt, wie die äußeren Umstände und die innere Zerrissenheit des Filmemachers zu einem beklemmenden Spiegelbild der im Film selbst erzählten Geschichte werden. Francis Ford Coppolas berühmtes Zitat, „Mein Film ist nicht über Vietnam, mein Film ist Vietnam“, erhält durch die dokumentierten Strapazen eine völlig neue, tiefere Bedeutung. Die Dokumentation ist eine faszinierende Charakterstudie des Regisseurs. Coppola wird nicht als unfehlbarer Visionär dargestellt, sondern als ein Mann am Rande des Nervenzusammenbruchs, der sein Haus verpfändete und alles riskierte, um seine Vision zu retten. Wir sehen seine Verzweiflung, seine Wutausbrüche und seine Momente der kreativen Selbstreflexion, die ihn an der Grenze zum Wahnsinn wandeln lassen.


© STUDIOCANAL 1991

Diese psychologische Tiefe macht „Hearts of Darkness“ zu einem der ehrlichsten Porträts eines Künstlers, der an den eigenen Ansprüchen zu zerbrechen droht. Die Kamera, die unaufhörlich diese Abgründe einfängt, wird zum stillen Zeugen einer Schöpfung, die beinahe ihre Schöpfer verschlungen hätte. Die Dokumentation gewährt uns ebenso Einblicke in das menschliche Drama jenseits des Regisseurs. Wir werden Zeugen von Martin Sheens gesundheitlicher Krise, die sich in einem Herzinfarkt entlud, von Marlon Brandos notorischer Verweigerungshaltung und den permanenten Konflikten, die das gesamte Filmteam belasten. Diese Sequenzen verdeutlichen, dass das Chaos von „Apocalypse Now“ nicht nur ein logistisches Problem war, sondern eine zutiefst menschliche Prüfung. Die Dokumentation stellt die essenzielle Frage, was es bedeutet, wenn künstlerische Ambition mit der physischen und mentalen Gesundheit der Beteiligten kollidiert. Sie zeigt, dass die größten filmischen Leistungen oft aus einem Schmelztiegel von Leiden und Widerstandsfähigkeit entstehen. „Hearts of Darkness“ hat die Art und Weise, wie wir über das Filmemachen denken, nachhaltig verändert. Die Dokumentation, die erst 1991 veröffentlicht wurde, beleuchtete nachträglich die Legendenbildung um „Apocalypse Now“ und etablierte sich selbst als ein Film von historischer Bedeutung. Sie demystifizierte das Filmemachen, indem sie seine schmutzige, chaotische und oft schmerzhafte Realität zeigte, und leistete Pionierarbeit für eine neue Form des „Making-of“-Genres, das über die bloße Werbung hinausgeht und tiefe Einblicke gewährt.


HEARTS OF DARKNESS

ET: 31.07.25: digital & 4K UHD Special Edition | FSK 16
R: Eleanor Coppola | Dokumentation
USA 1991 | Studiocanal Film

Bonusmaterial: Kurzfilme und Dokus, u.a.: Coda - Einführung von E. Coppola,
Coda: 30 Jahre später, A Visit to China's Miao Country, Circle of Memory; Booklet


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