HELDIN
begleitet Pflegefachfrau Floria bei einer Spätschicht im Krankenhaus
und zeigt eindrucksvoll, wie sie mit großem Engagement und viel
Empathie gegen ein krankes System kämpft – trotz widrigster
Umstände. Lola-Gewinnerin Leonie Benesch beeindruckt mit ihrer
kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Publikum atemlos hinterlässt
und noch lange nach Filmende begleitet.
Es
gibt Filme, die laut aufbegehren. Und es gibt solche, die flüstern
– aber lange nachhallen. Petra Biondina Volpes „Heldin“
gehört zur zweiten Kategorie. In ihrer zurückgenommenen
Inszenierung entfaltet sich eine stille Wucht, die in Zeiten permanenter
Reizüberflutung besonders eindringlich wirkt. Der Film porträtiert
den Arbeitsalltag einer Pflegefachfrau auf einer Krankenhausstation
– unspektakulär im Stoff, herausragend in der künstlerischen
und gesellschaftlichen Relevanz. Mit der Heimkinoveröffentlichung
im Juli 2025 wird das Werk einem breiten Publikum auch jenseits der
Leinwand zugänglich gemacht – und entfaltet so sein Potenzial,
zu einer filmischen Wegmarke der Gegenwartsdiagnose zu werden. Die
Titelfigur Floria – eindrucksvoll verkörpert von Leonie
Benesch – trägt keinen Cape, sie rettet keine Welt. Und
doch liegt in jeder ihrer Gesten eine Form von Rettung: der Blick
in das Gesicht eines Patienten, das geduldige Wiederholen medizinischer
Handgriffe, das stille Aushalten von Überforderung. In ihrer
Zurückhaltung liegt die Größe dieser Figur –
und auch die des Films. Volpe gelingt es, den Mythos der Heldin zu
entkleiden und ihn zugleich neu zu definieren: nicht als Überfigur,
sondern als Mensch im Ausnahmezustand der Normalität. Judith
Kaufmanns Kameraarbeit ist ein Lehrstück filmischer Ethik. Sie
beobachtet, ohne zu bewerten, bleibt nahe an den Figuren, ohne sich
aufzudrängen. Lange Einstellungen erzeugen eine beklemmende Authentizität:
Der hektische Takt der Klinik, das Nebeneinander von Leben und Tod,
Nähe und Erschöpfung – all das verdichtet sich zu
einer visuellen Chronik der Grenzbelastung. Der Verzicht auf musikalische
Untermalung verstärkt diesen Eindruck: Die Stille wird zum Resonanzraum
für das Unsagbare. „Heldin“ ist mehr als ein Berufsdrama
– es ist ein Spiegel gesellschaftlicher Disparitäten.
Der
Film macht sichtbar, was in öffentlichen Diskursen oft im Schatten
bleibt: die strukturelle Überforderung eines Berufsfeldes, das
in der Pandemiezeit kurzfristig beklatscht, langfristig jedoch vernachlässigt
wurde. Ohne agitatorisch zu sein, formuliert der Film eine implizite
Kritik an Systemen, die Menschlichkeit in ökonomische Kalküle
pressen. Volpe stellt keine Forderungen – aber sie stellt Fragen.
Und das mit großer filmischer Souveränität. Die schauspielerische
Leistung von Leonie Benesch ist in ihrer Nuanciertheit herausragend.
Sie spielt nicht – sie existiert. In jeder Bewegung, jedem Wort,
jeder Pause spiegelt sich das Ringen einer Frau, ihre professionelle
Integrität mit den Zumutungen des Alltags zu vereinbaren. Ihre
Darstellung ist ein Akt der Hingabe – und zugleich ein subtiles
Plädoyer für Anerkennung in einer Arbeitswelt, die allzu
oft von Unsichtbarkeit geprägt ist. In einer Zeit, in der der
Kinosaal immer häufiger dem Streaming weicht, erscheint „Heldin“
nun auch fürs Heimkino – ein bedeutsamer Schritt. Denn
dieser Film ist nicht nur ein Kinoereignis, sondern ein gesellschaftliches
Dokument. Seine Langsamkeit fordert Aufmerksamkeit, sein Inhalt erzeugt
Nachdenklichkeit, seine Ästhetik würdigt die Menschen, über
die er erzählt. „Heldin“ ist damit nicht nur ein
Beitrag zur filmischen Landschaft, sondern zur kollektiven Selbstverständigung
über Empathie, System-verantwortung und Menschlichkeit. Mit
„Heldin“ ist Petra Biondina Volpe ein Werk von seltener
Klarheit gelungen – ein leiser Film, der laut wirkt. Er erhebt
die Pflegekraft zur Protagonistin, ohne sie zu idealisieren. Er dokumentiert,
ohne zu entlarven. Er bewegt, ohne zu manipulieren. Und er hinterlässt
eine dringliche Frage: Wie viel Unbeachtetes tragen jene, denen wir
unsere Verletzlichkeit anvertrauen? Dass dieser Film nun auch im Heimkino
erscheint, ist nicht nur ein medientechnischer Vorgang, sondern ein
kulturelles Ereignis. Denn „Heldin“ gehört gesehen.
Und vor allem: erinnert.
HELDIN
ET:
17.07.25: digital (k) / 25.07.25: DVD, Blu-ray & digital (l)
| FSK 6
R: Petra Biondina Volpe | D: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma
Adin
Deutschland, Schweiz 2025 | Tobis / Leonine