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DVD & BLU-RAY | 16.07.2025

HELDIN

HELDIN begleitet Pflegefachfrau Floria bei einer Spätschicht im Krankenhaus und zeigt eindrucksvoll, wie sie mit großem Engagement und viel Empathie gegen ein krankes System kämpft – trotz widrigster Umstände. Lola-Gewinnerin Leonie Benesch beeindruckt mit ihrer kraftvollen und fesselnden Darstellung, die das Publikum atemlos hinterlässt und noch lange nach Filmende begleitet.

von Franziska Keil


© Tobis Film GmbH

Es gibt Filme, die laut aufbegehren. Und es gibt solche, die flüstern – aber lange nachhallen. Petra Biondina Volpes „Heldin“ gehört zur zweiten Kategorie. In ihrer zurückgenommenen Inszenierung entfaltet sich eine stille Wucht, die in Zeiten permanenter Reizüberflutung besonders eindringlich wirkt. Der Film porträtiert den Arbeitsalltag einer Pflegefachfrau auf einer Krankenhausstation – unspektakulär im Stoff, herausragend in der künstlerischen und gesellschaftlichen Relevanz. Mit der Heimkinoveröffentlichung im Juli 2025 wird das Werk einem breiten Publikum auch jenseits der Leinwand zugänglich gemacht – und entfaltet so sein Potenzial, zu einer filmischen Wegmarke der Gegenwartsdiagnose zu werden. Die Titelfigur Floria – eindrucksvoll verkörpert von Leonie Benesch – trägt keinen Cape, sie rettet keine Welt. Und doch liegt in jeder ihrer Gesten eine Form von Rettung: der Blick in das Gesicht eines Patienten, das geduldige Wiederholen medizinischer Handgriffe, das stille Aushalten von Überforderung. In ihrer Zurückhaltung liegt die Größe dieser Figur – und auch die des Films. Volpe gelingt es, den Mythos der Heldin zu entkleiden und ihn zugleich neu zu definieren: nicht als Überfigur, sondern als Mensch im Ausnahmezustand der Normalität. Judith Kaufmanns Kameraarbeit ist ein Lehrstück filmischer Ethik. Sie beobachtet, ohne zu bewerten, bleibt nahe an den Figuren, ohne sich aufzudrängen. Lange Einstellungen erzeugen eine beklemmende Authentizität: Der hektische Takt der Klinik, das Nebeneinander von Leben und Tod, Nähe und Erschöpfung – all das verdichtet sich zu einer visuellen Chronik der Grenzbelastung. Der Verzicht auf musikalische Untermalung verstärkt diesen Eindruck: Die Stille wird zum Resonanzraum für das Unsagbare. „Heldin“ ist mehr als ein Berufsdrama – es ist ein Spiegel gesellschaftlicher Disparitäten.


© Tobis Film GmbH

Der Film macht sichtbar, was in öffentlichen Diskursen oft im Schatten bleibt: die strukturelle Überforderung eines Berufsfeldes, das in der Pandemiezeit kurzfristig beklatscht, langfristig jedoch vernachlässigt wurde. Ohne agitatorisch zu sein, formuliert der Film eine implizite Kritik an Systemen, die Menschlichkeit in ökonomische Kalküle pressen. Volpe stellt keine Forderungen – aber sie stellt Fragen. Und das mit großer filmischer Souveränität. Die schauspielerische Leistung von Leonie Benesch ist in ihrer Nuanciertheit herausragend. Sie spielt nicht – sie existiert. In jeder Bewegung, jedem Wort, jeder Pause spiegelt sich das Ringen einer Frau, ihre professionelle Integrität mit den Zumutungen des Alltags zu vereinbaren. Ihre Darstellung ist ein Akt der Hingabe – und zugleich ein subtiles Plädoyer für Anerkennung in einer Arbeitswelt, die allzu oft von Unsichtbarkeit geprägt ist. In einer Zeit, in der der Kinosaal immer häufiger dem Streaming weicht, erscheint „Heldin“ nun auch fürs Heimkino – ein bedeutsamer Schritt. Denn dieser Film ist nicht nur ein Kinoereignis, sondern ein gesellschaftliches Dokument. Seine Langsamkeit fordert Aufmerksamkeit, sein Inhalt erzeugt Nachdenklichkeit, seine Ästhetik würdigt die Menschen, über die er erzählt. „Heldin“ ist damit nicht nur ein Beitrag zur filmischen Landschaft, sondern zur kollektiven Selbstverständigung über Empathie, System-verantwortung und Menschlichkeit. Mit „Heldin“ ist Petra Biondina Volpe ein Werk von seltener Klarheit gelungen – ein leiser Film, der laut wirkt. Er erhebt die Pflegekraft zur Protagonistin, ohne sie zu idealisieren. Er dokumentiert, ohne zu entlarven. Er bewegt, ohne zu manipulieren. Und er hinterlässt eine dringliche Frage: Wie viel Unbeachtetes tragen jene, denen wir unsere Verletzlichkeit anvertrauen? Dass dieser Film nun auch im Heimkino erscheint, ist nicht nur ein medientechnischer Vorgang, sondern ein kulturelles Ereignis. Denn „Heldin“ gehört gesehen. Und vor allem: erinnert.


HELDIN

ET: 17.07.25: digital (k) / 25.07.25: DVD, Blu-ray & digital (l) | FSK 6
R: Petra Biondina Volpe | D: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma Adin
Deutschland, Schweiz 2025 | Tobis / Leonine

Bonusmaterial: Trailer, Interviews & Audiodeskription


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