Yogalehrerin
Ann verhilft anderen zur inneren Ruhe – dabei herrscht in ihrem
eigenen Leben das reinste Gefühlschaos: eine Schwester im Ausnahmezustand,
Eltern mit Kontrollfimmel und ein Liebesleben zum Davonlaufen. Doch
dann trifft sie Steve – bodenständig, charmant… und
leider Vater der eifersüchtigen Tochter Lilly, die ihr Leben
ordentlich auf den Kopf stellt.
Mit
dem Spielfilm „The Yoga Teacher“ (Originaltitel: „Chosen
Family“) legt Heather Graham eine melancholisch-humorvolle Reflexion
über Selbstfindung, Beziehungs(un)fähigkeit und familiäre
Verantwortung vor. Nun erscheint das Werk für das Heimkino –
auf DVD und als digitale Edition – und findet damit seinen idealen
Resonanzraum: das private Umfeld, in dem seine leisen Töne und
pointierten Beobachtungen umso eindringlicher zur Geltung kommen.
Grahams Film ist eine romantische Komödie in ihrer klügsten
Spielart: Weder greift sie auf bloße Genretopoi zurück,
noch verliert sie sich in therapeutischer Tiefgründigkeit. Vielmehr
entwickelt sie eine Geschichte, die mit emotionaler Offenheit, lakonischem
Witz und bemerkenswerter Figurenzeichnung von der Schwierigkeit erzählt,
in einem Leben voller Fremdansprüche die eigene innere Mitte
zu finden. Im Zentrum steht Ann, eine Yogalehrerin, verkörpert
von Heather Graham selbst, deren Leben sich weniger durch spirituelle
Ausgeglichenheit als durch Verdrängung, Rückzug und diffuse
Sehnsucht auszeichnet. Ann unterrichtet ihre Schülerinnen und
Schüler in der Kunst der Selbstregulation, während sie selbst
auf einem inneren Drahtseil balanciert: Eine labile Schwester (gespielt
von Julia Stiles), distanzierte Eltern, eine unerfüllte Liebessehnsucht
– all das formt eine Figur, die glaubhaft zerrissen, aber nie
klischeehaft hilflos erscheint. Yoga fungiert hier nicht als dekoratives
Setting, sondern als dramaturgisches Prinzip. Jede Haltung, jede Korrektur,
jeder Atemzug spiegelt Ann’s Ringen um Kohärenz wider.
Die Praxis des Yoga – im Westen oft auf Lifestyle reduziert
– wird in diesem Film zur Metapher einer zutiefst menschlichen
Suche: nach Zugehörigkeit, nach Klarheit, nach Nähe. Heather
Grahams Inszenierung verzichtet auf Überzeichnungen. Stattdessen
vertraut sie auf situative Glaubwürdigkeit, pointierte Dialoge
und das präzise Spiel ihrer Darstellerinnen und Darsteller.
Die
Dramaturgie folgt einem unaufgeregten Rhythmus, der zwischen sanfter
Komik und melancholischer Introspektion changiert. Besonders hervorzuheben
ist das subtile Verhältnis zwischen Ann und dem alleinerziehenden
Vater Steve (John Brotherton): Eine Annäherung voller Unsicherheiten,
kindlicher Eifersucht und ungesprochener Erwartungen. Visuell bleibt
der Film unaufdringlich – helle Interieurs, natürliche
Lichtführung, warme Farbkontraste – wodurch die Szenen
eine leise Intimität entwickeln. Die Kamera von Steven Fierberg
bleibt nahe an den Figuren, ohne sie zu bedrängen. Der Score,
komponiert von DJ Dummy, kombiniert elektronische Texturen mit akustischen
Elementen – eine Klanglandschaft, die zwischen Loslösung
und Erdung changiert. In der Semantik des Originaltitels – „Chosen
Family“ – liegt die zentrale Botschaft des Films: Familie
ist kein biologistisches Faktum, sondern eine soziale Entscheidung.
Die klassische Konzeption von Familie als schicksalhaft gegebene Einheit
wird infrage gestellt zugunsten eines inklusiven Modells, das auf
Fürsorge, Reflexion und emotionaler Arbeit basiert. Ann lernt,
dass Bindungen nicht gegeben, sondern gestaltet sind – und dass
Zuwendung nicht in Perfektion besteht, sondern im Aushalten von Ambivalenz.
Dabei romantisiert der Film weder das Elternsein noch das Paarleben.
Er lässt Raum für Irritation, Missverständnis, Rückzug
– aber auch für Versöhnung, Neuanfang und die vorsichtige
Öffnung zu einer neuen Art des Miteinanders. Mit seinem nun erfolgten
Release für das Heimkino entfaltet „The Yoga Teacher“
seine besondere Wirkung: Es ist ein Film, der keine Leinwand sucht,
sondern Nähe – zu den Zuschauenden, zu deren inneren Widersprüchen
und ungelebten Fragen. Er lädt ein zur stillen Selbstbefragung,
aber auch zum Lachen über die Absurditäten des Alltags.
Was Graham gelungen ist, ist ein Film von leiser Relevanz. Einer,
der nicht laut auf die gesellschaftliche Gegenwart reagiert, sondern
die leisen Verschiebungen zwischen Rollenbildern, Bindungserwartungen
und Identität in den Blick nimmt – mit Respekt, mit Wärme,
mit Humor.
THE YOGA TEACHER
ET:
24.07.25: DVD & digital | FSK 12
R: Heather Graham | D: Heather Graham, Julia Stiles, Jonathan
Brotherton
USA 2024 | PLAION PICTURES