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DVD & BLU-RAY | 01.08.2025

THE YOGA TEACHER

Yogalehrerin Ann verhilft anderen zur inneren Ruhe – dabei herrscht in ihrem eigenen Leben das reinste Gefühlschaos: eine Schwester im Ausnahmezustand, Eltern mit Kontrollfimmel und ein Liebesleben zum Davonlaufen. Doch dann trifft sie Steve – bodenständig, charmant… und leider Vater der eifersüchtigen Tochter Lilly, die ihr Leben ordentlich auf den Kopf stellt.

von Franziska Keil


© Brainstorm Media

Mit dem Spielfilm „The Yoga Teacher“ (Originaltitel: „Chosen Family“) legt Heather Graham eine melancholisch-humorvolle Reflexion über Selbstfindung, Beziehungs(un)fähigkeit und familiäre Verantwortung vor. Nun erscheint das Werk für das Heimkino – auf DVD und als digitale Edition – und findet damit seinen idealen Resonanzraum: das private Umfeld, in dem seine leisen Töne und pointierten Beobachtungen umso eindringlicher zur Geltung kommen. Grahams Film ist eine romantische Komödie in ihrer klügsten Spielart: Weder greift sie auf bloße Genretopoi zurück, noch verliert sie sich in therapeutischer Tiefgründigkeit. Vielmehr entwickelt sie eine Geschichte, die mit emotionaler Offenheit, lakonischem Witz und bemerkenswerter Figurenzeichnung von der Schwierigkeit erzählt, in einem Leben voller Fremdansprüche die eigene innere Mitte zu finden. Im Zentrum steht Ann, eine Yogalehrerin, verkörpert von Heather Graham selbst, deren Leben sich weniger durch spirituelle Ausgeglichenheit als durch Verdrängung, Rückzug und diffuse Sehnsucht auszeichnet. Ann unterrichtet ihre Schülerinnen und Schüler in der Kunst der Selbstregulation, während sie selbst auf einem inneren Drahtseil balanciert: Eine labile Schwester (gespielt von Julia Stiles), distanzierte Eltern, eine unerfüllte Liebessehnsucht – all das formt eine Figur, die glaubhaft zerrissen, aber nie klischeehaft hilflos erscheint. Yoga fungiert hier nicht als dekoratives Setting, sondern als dramaturgisches Prinzip. Jede Haltung, jede Korrektur, jeder Atemzug spiegelt Ann’s Ringen um Kohärenz wider. Die Praxis des Yoga – im Westen oft auf Lifestyle reduziert – wird in diesem Film zur Metapher einer zutiefst menschlichen Suche: nach Zugehörigkeit, nach Klarheit, nach Nähe. Heather Grahams Inszenierung verzichtet auf Überzeichnungen. Stattdessen vertraut sie auf situative Glaubwürdigkeit, pointierte Dialoge und das präzise Spiel ihrer Darstellerinnen und Darsteller.


© Brainstorm Media

Die Dramaturgie folgt einem unaufgeregten Rhythmus, der zwischen sanfter Komik und melancholischer Introspektion changiert. Besonders hervorzuheben ist das subtile Verhältnis zwischen Ann und dem alleinerziehenden Vater Steve (John Brotherton): Eine Annäherung voller Unsicherheiten, kindlicher Eifersucht und ungesprochener Erwartungen. Visuell bleibt der Film unaufdringlich – helle Interieurs, natürliche Lichtführung, warme Farbkontraste – wodurch die Szenen eine leise Intimität entwickeln. Die Kamera von Steven Fierberg bleibt nahe an den Figuren, ohne sie zu bedrängen. Der Score, komponiert von DJ Dummy, kombiniert elektronische Texturen mit akustischen Elementen – eine Klanglandschaft, die zwischen Loslösung und Erdung changiert. In der Semantik des Originaltitels – „Chosen Family“ – liegt die zentrale Botschaft des Films: Familie ist kein biologistisches Faktum, sondern eine soziale Entscheidung. Die klassische Konzeption von Familie als schicksalhaft gegebene Einheit wird infrage gestellt zugunsten eines inklusiven Modells, das auf Fürsorge, Reflexion und emotionaler Arbeit basiert. Ann lernt, dass Bindungen nicht gegeben, sondern gestaltet sind – und dass Zuwendung nicht in Perfektion besteht, sondern im Aushalten von Ambivalenz. Dabei romantisiert der Film weder das Elternsein noch das Paarleben. Er lässt Raum für Irritation, Missverständnis, Rückzug – aber auch für Versöhnung, Neuanfang und die vorsichtige Öffnung zu einer neuen Art des Miteinanders. Mit seinem nun erfolgten Release für das Heimkino entfaltet „The Yoga Teacher“ seine besondere Wirkung: Es ist ein Film, der keine Leinwand sucht, sondern Nähe – zu den Zuschauenden, zu deren inneren Widersprüchen und ungelebten Fragen. Er lädt ein zur stillen Selbstbefragung, aber auch zum Lachen über die Absurditäten des Alltags. Was Graham gelungen ist, ist ein Film von leiser Relevanz. Einer, der nicht laut auf die gesellschaftliche Gegenwart reagiert, sondern die leisen Verschiebungen zwischen Rollenbildern, Bindungserwartungen und Identität in den Blick nimmt – mit Respekt, mit Wärme, mit Humor.


THE YOGA TEACHER

ET: 24.07.25: DVD & digital | FSK 12
R: Heather Graham | D: Heather Graham, Julia Stiles, Jonathan Brotherton
USA 2024 | PLAION PICTURES


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