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KINO | 13.08.2025

WAS IST LIEBE WERT – MATERIALISTS

Mit der Liebe kennt sich Lucy aus – also jedenfalls rein beruflich, denn die New Yorkerin arbeitet als Beraterin für die renommierte Partnervermittlung namens Adore. Sie ist absoluter Profi und dieser Ruf eilt ihr auch voraus. Wer auf der Suche nach der großen Liebe ist, lässt sich von Lucy passende Dates arrangieren – vorausgesetzt, die eigene Brieftasche ist ausreichend gefüllt.

von Richard-Heinrich Tarenz


© Adore Matchmaking LLC

Am 21. August 2025 kommt Celine Songs zweiter Spielfilm „Was ist Liebe wert – Materialists“ in die deutschen Kinos. Nach ihrem gefeierten Debüt „Past Lives“ überrascht Song mit einem Tonfall, der weniger auf zarte Sentimentalität setzt, sondern den Blick schärft für die nüchterne Bilanz moderner Liebesverhandlungen. Im Zentrum steht Lucy (Dakota Johnson), eine diskret operierende Partnervermittlerin im Herzen von New York, deren Geschäft darin besteht, das Intimste in die Sprache von Marktlogik zu übersetzen. Liebe ist für sie kein schicksalhafter Funken, sondern ein Handel – seit Jahrtausenden in wechselnder Währung: einst Vieh und Mitgift, heute soziale Statussymbole, finanzielle Sicherheit und die ungeschriebenen Regeln von Attraktivität, Bildung und Lebensstil. Lucy ist eine Meisterin der Verbindung von Instinkt und Kalkül. Sie weiß, dass in ihrer Branche Romantik ein Produkt ist, das sich nur verkauft, wenn es zugleich glaubwürdig und verhandelbar wirkt. Johnson spielt diese Figur mit kontrollierter Kühle – nie unnahbar, aber immer darauf bedacht, das Terrain des Gefühls zu kartieren, bevor sie es betritt. Songs Drehbuch zwingt Lucy, zwischen zwei Archetypen zu wählen: Harry (Pedro Pascal), ein wohlhabender, makellos auftretender Finanzinvestor mit Panoramablick über Manhattan, und John (Chris Evans), ihr Ex aus den prekären Jahren, der als Schauspieler den ungesicherten Traum vom künstlerischen Leben verfolgt. Beide Männer sind Projektionsflächen – und beide bleiben in ihren Konturen bewusst unscharf. Die Entscheidung zwischen ihnen ist weniger eine Herzensfrage als ein Spiegel jener Kräfte, die Partnerschaften heute formen: Sicherheit gegen Ungewissheit, Status gegen Authentizität. „Materialists“ brilliert dort, wo es den Glamour des Großstadtlebens mit der Nüchternheit seiner Mechanismen bricht.


© Adore Matchmaking LLC

Song gewährt tiefe Einblicke in die ungeschriebenen Hierarchien des Dating-Marktes – von subtilen Körpergrößenpräferenzen bis zu unausgesprochenen Altersgrenzen, von der „richtigen“ akademischen Laufbahn bis zur stilistischen Selbstinszenierung. Der Humor ist messerscharf, aber ohne billige Pointen; die Dialoge enthüllen die Härten des Spiels mit einem fast wissenschaftlichen Interesse. Visuell inszeniert Song New York in eleganter Klarheit: teure Stoffe, reduziertes Interieur, das Licht von Spätnachmittagen, das in Glasfassaden bricht. Doch unter der makellosen Oberfläche liegt ein beständiger Unterton der Desillusion. Die größte Stärke des Films ist seine Weigerung, romantische Klischees zu bedienen. Song lässt Lucy nicht in eine alles überstrahlende Liebe taumeln, sondern zeigt sie als Frau, deren Entscheidungen Ergebnis von Erfahrung, Verlust und nüchterner Selbstbeobachtung sind. Doch diese Haltung hat ihren Preis: Die Chemie zwischen Johnson und Pascal wirkt eher geschäftsmäßig als magnetisch; Evans’ John bleibt zu sehr Idealbild des charmanten „Underdog“-Künstlers. Wer eine klassische Romcom mit euphorischem Finale erwartet, wird enttäuscht – wer hingegen bereit ist, in die Zwischentöne zu lauschen, findet eine erfrischend andere Stimme im Genre. In einer Zeit, in der romantische Komödien oft im Streaming verschwinden oder als ironische Zitate ihrer selbst daherkommen, ist „Was ist Liebe wert – Materialists“ ein Ereignis: ein Film, der den Mut hat, den romantischen Mythos nicht zu bestätigen, sondern zu sezieren. Song verbindet Präzision und Empathie, Kalkül und Poesie – und hinterlässt das Publikum mit der unbequemen Frage, welchen Preis wir bereit sind, für Nähe zu zahlen.


WAS IST LIEBE WERT – MATERIALISTS

Start: 21.08.25 | FSK 0
R: Celine Song | D: Dakota Johnson, Pedro Pascal, Chris Evans
USA 2025 | Sony Pictures Germany


 


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