Romy
Miller ist Gründerin und CEO eines Unternehmens, das gerade an
der Börse durchstartet. Privat ist sie glücklich verheiratet
mit einem renommierten Theaterregisseur und Mutter zweier Töchter.
Unter den neuen Praktikanten in Romys Firma ist auch Samuel, der sich
selbstbewusst über alle Regeln hinwegsetzt, Romys Dominanz herausfordert
und unterdrückte Leidenschaften in ihr entfacht.
Die
erfolgreiche Businessfrau Romy (Nicole Kidman) ist von ihrem Sexleben
schon lange nicht mehr erfüllt. Mit ihrem Theaterregisseur-Ehemann
Jacob (Antonio Banderas) herrscht im Bett tote Hose. Sie sehnt sich
nach einem Abenteuer – und dieses kommt in Gestalt des neuen
Praktikanten Samuel (Harris Dickinson), der seiner Chefin gegenüber
in einem eigentlich unangemessenen Befehlston auftritt, damit aber
bei seiner Vorgesetzten ein sexuelles Verlangen auslöst. Langsam
steigern sich dessen Unverschämtheiten Romy gegenüber –
gemeinsam tasten die beiden ihre neuen Rollen ab. Als es schließlich
zum ersten Treffen in einem Hotel kommt, sind sich beide noch nicht
sicher, was für ein Spiel sie eigentlich spielen. Doch Romy ist
dieses Spiel aus Unterwürfigkeit und Dominanz noch nicht genug,
denn sie spielt auch mit der Gefahr, entdeckt zu werden – und
mit dieser Affäre ihre nach außen so perfekt scheinendes
Leben in einem Schlag implodieren zu lassen.
Halina Reijn, die in ihrer Heimat bereits seit
den 1990er Jahren als Schauspielerin erfolgreich ist, feierte ihren
internationalen Durchbruch erst 2022 mit der vielbeachteten Slasher-Karikatur
„Bodies Bodies Bodies“. Mit ihrer zweiten A24-Produktion
„Baby Girl“, die nun für das Heimkino verfügbar
ist, knüpft Reijn an ihr noch in den Niederlanden realisiertes
Regiedebüt „Instinct“ an, in dem Carice van Houten
(„Game Of Thrones“) eine Gefängnispsychologin spielt,
die sich sexuell zu einem brutalen Serienvergewaltiger hingezogen
fühlt. Wenngleich die Fantasien der Protagonistin in „Baby
Girl“ weit weniger verstörend sind und eine größere
Mainstream-Anziehungskraft besitzen, entwickelt sich auch hier ein
intensives Spiel um Macht und Ohnmacht, das mit bemerkenswert viel
schwarzem Humor aufwartet. In „Baby Girl“ steht das Verhandeln
von (sexueller) Macht im Zentrum, was auf erstaunlich komplexe Weise
geschieht: Die Protagonisten sind keine Profis, deren Rechtsabteilung
bereits alle Klauseln ausgehandelt hat. Stattdessen sind sie mit der
Situation und ihren Gefühlen zunächst völlig überfordert.
Anstatt die Protagonistin zu dominieren, beginnt der sonst so selbstbewusste
Mann seine Forderungen beim ersten Sex-Treffen stets mit einem höflichen
„Könntest du…“.
Diese
Unbedarftheit, mit der die beiden an die Umsetzung ihrer sexuellen
Fantasien herangehen, schlägt immer wieder in schwarzen Humor
um. Die Idee der immer perfekten Geschäftsfrau und Dreifachmutter,
die sich zumindest beim Sex fallen lassen und alle Entscheidungen
von sich weisen will, mag zu Beginn etwas klischeehaft anmuten. Aber
die Oscar-Preisträgerin füllt ihre Rolle mit genügend
Ambivalenzen, um die andauernden kleinen Machtverschiebungen zwischen
ihr und anderen Figuren bis zum Schluss in einem ständigen Spannungsfeld
zu halten. Reijns Film präsentiert sich als ein Werk, das tief
in die komplexen und oft widersprüchlichen Erfahrungen weiblicher
Selbstbestimmung und Ausbeutung eintaucht. Er navigiert mit verstörender
Intimität durch Beziehungen, wobei ein Netz aus Macht, Verlangen
und Verrat gesponnen wird, das sowohl fesselt als auch Unbehagen auslöst.
Die Beziehung zwischen den Protagonistinnen wird von Beginn an als
ein fragiles Konstrukt dargestellt, das auf einem unausgesprochenen
Pakt der Ausbeutung basiert. Die Regisseurin, selbst eine Frau, instrumentalisiert
die junge Schauspielerin nicht nur für ihre künstlerische
Vision, sondern auch für ihre persönlichen Bedürfnisse.
Diese
Dynamik wirft grundlegende Fragen nach der Rolle von Frauen in Machtpositionen
und der Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) weiblicher Solidarität
in einem von Männern dominierten System auf. Reijns Film vermeidet
es, einfache Antworten zu geben. Stattdessen präsentiert er ein
verstörendes Panorama weiblicher Subjektivität, das von
Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt ist. Diese Darstellung
mag verstörend sein, ist aber gerade in ihrer Komplexität
eine Stärke des Films. Er weigert sich, Frauen auf eindimensionale
Rollen zu reduzieren, und zeigt sie stattdessen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit.
Ein zentraler Aspekt von "Baby Girl" ist die Darstellung
des weiblichen Körpers und seiner Inszenierung. Reijn setzt explizite
Bilder ein, um die Objektivierung und Kommodifizierung des weiblichen
Körpers in der Filmindustrie zu thematisieren. Gleichzeitig unterläuft
sie jedoch gängige voyeuristische Darstellungen, indem sie den
weiblichen Blickwinkel betont und die Subjektivität der Protagonistinnen
in den Vordergrund stellt. Diese Gratwanderung zwischen Ausbeutung
und Ermächtigung ist ein zentrales Merkmal des Films und macht
ihn zu einem wichtigen Beitrag zur feministischen Filmtheorie.
BABY GIRL
ET:
10.04.25: Digital / 24.04.25: DVD, Blu-ray | FSK 16
R: Halina Reijn | D: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio
Banderas
USA 2024 | Constantin Film (Universal Pictures)