KINO | 23.04.2025

BABY GIRL

Romy Miller ist Gründerin und CEO eines Unternehmens, das gerade an der Börse durchstartet. Privat ist sie glücklich verheiratet mit einem renommierten Theaterregisseur und Mutter zweier Töchter. Unter den neuen Praktikanten in Romys Firma ist auch Samuel, der sich selbstbewusst über alle Regeln hinwegsetzt, Romys Dominanz herausfordert und unterdrückte Leidenschaften in ihr entfacht.

von Franziska Keil


© Constantin Film Vertriebs GmbH

Die erfolgreiche Businessfrau Romy (Nicole Kidman) ist von ihrem Sexleben schon lange nicht mehr erfüllt. Mit ihrem Theaterregisseur-Ehemann Jacob (Antonio Banderas) herrscht im Bett tote Hose. Sie sehnt sich nach einem Abenteuer – und dieses kommt in Gestalt des neuen Praktikanten Samuel (Harris Dickinson), der seiner Chefin gegenüber in einem eigentlich unangemessenen Befehlston auftritt, damit aber bei seiner Vorgesetzten ein sexuelles Verlangen auslöst. Langsam steigern sich dessen Unverschämtheiten Romy gegenüber – gemeinsam tasten die beiden ihre neuen Rollen ab. Als es schließlich zum ersten Treffen in einem Hotel kommt, sind sich beide noch nicht sicher, was für ein Spiel sie eigentlich spielen. Doch Romy ist dieses Spiel aus Unterwürfigkeit und Dominanz noch nicht genug, denn sie spielt auch mit der Gefahr, entdeckt zu werden – und mit dieser Affäre ihre nach außen so perfekt scheinendes Leben in einem Schlag implodieren zu lassen.

Halina Reijn, die in ihrer Heimat bereits seit den 1990er Jahren als Schauspielerin erfolgreich ist, feierte ihren internationalen Durchbruch erst 2022 mit der vielbeachteten Slasher-Karikatur „Bodies Bodies Bodies“. Mit ihrer zweiten A24-Produktion „Baby Girl“, die nun für das Heimkino verfügbar ist, knüpft Reijn an ihr noch in den Niederlanden realisiertes Regiedebüt „Instinct“ an, in dem Carice van Houten („Game Of Thrones“) eine Gefängnispsychologin spielt, die sich sexuell zu einem brutalen Serienvergewaltiger hingezogen fühlt. Wenngleich die Fantasien der Protagonistin in „Baby Girl“ weit weniger verstörend sind und eine größere Mainstream-Anziehungskraft besitzen, entwickelt sich auch hier ein intensives Spiel um Macht und Ohnmacht, das mit bemerkenswert viel schwarzem Humor aufwartet. In „Baby Girl“ steht das Verhandeln von (sexueller) Macht im Zentrum, was auf erstaunlich komplexe Weise geschieht: Die Protagonisten sind keine Profis, deren Rechtsabteilung bereits alle Klauseln ausgehandelt hat. Stattdessen sind sie mit der Situation und ihren Gefühlen zunächst völlig überfordert. Anstatt die Protagonistin zu dominieren, beginnt der sonst so selbstbewusste Mann seine Forderungen beim ersten Sex-Treffen stets mit einem höflichen „Könntest du…“.


© Constantin Film Vertriebs GmbH

Diese Unbedarftheit, mit der die beiden an die Umsetzung ihrer sexuellen Fantasien herangehen, schlägt immer wieder in schwarzen Humor um. Die Idee der immer perfekten Geschäftsfrau und Dreifachmutter, die sich zumindest beim Sex fallen lassen und alle Entscheidungen von sich weisen will, mag zu Beginn etwas klischeehaft anmuten. Aber die Oscar-Preisträgerin füllt ihre Rolle mit genügend Ambivalenzen, um die andauernden kleinen Machtverschiebungen zwischen ihr und anderen Figuren bis zum Schluss in einem ständigen Spannungsfeld zu halten. Reijns Film präsentiert sich als ein Werk, das tief in die komplexen und oft widersprüchlichen Erfahrungen weiblicher Selbstbestimmung und Ausbeutung eintaucht. Er navigiert mit verstörender Intimität durch Beziehungen, wobei ein Netz aus Macht, Verlangen und Verrat gesponnen wird, das sowohl fesselt als auch Unbehagen auslöst. Die Beziehung zwischen den Protagonistinnen wird von Beginn an als ein fragiles Konstrukt dargestellt, das auf einem unausgesprochenen Pakt der Ausbeutung basiert. Die Regisseurin, selbst eine Frau, instrumentalisiert die junge Schauspielerin nicht nur für ihre künstlerische Vision, sondern auch für ihre persönlichen Bedürfnisse.

Diese Dynamik wirft grundlegende Fragen nach der Rolle von Frauen in Machtpositionen und der Möglichkeit (oder Unmöglichkeit) weiblicher Solidarität in einem von Männern dominierten System auf. Reijns Film vermeidet es, einfache Antworten zu geben. Stattdessen präsentiert er ein verstörendes Panorama weiblicher Subjektivität, das von Widersprüchen und Ambivalenzen geprägt ist. Diese Darstellung mag verstörend sein, ist aber gerade in ihrer Komplexität eine Stärke des Films. Er weigert sich, Frauen auf eindimensionale Rollen zu reduzieren, und zeigt sie stattdessen in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit. Ein zentraler Aspekt von "Baby Girl" ist die Darstellung des weiblichen Körpers und seiner Inszenierung. Reijn setzt explizite Bilder ein, um die Objektivierung und Kommodifizierung des weiblichen Körpers in der Filmindustrie zu thematisieren. Gleichzeitig unterläuft sie jedoch gängige voyeuristische Darstellungen, indem sie den weiblichen Blickwinkel betont und die Subjektivität der Protagonistinnen in den Vordergrund stellt. Diese Gratwanderung zwischen Ausbeutung und Ermächtigung ist ein zentrales Merkmal des Films und macht ihn zu einem wichtigen Beitrag zur feministischen Filmtheorie.


BABY GIRL

ET: 10.04.25: Digital / 24.04.25: DVD, Blu-ray | FSK 16
R: Halina Reijn | D: Nicole Kidman, Harris Dickinson, Antonio Banderas
USA 2024 | Constantin Film (Universal Pictures)


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