DVD & BLU-RAY | 14.03.2024

Fass mich an

Jeden Dienstag lässt Claudine ihren eintönigen Alltag für einige Stunden zurück und schlüpft in ein verführerisches Alter Ego. In einem Berghotel trifft sie Männer auf der Durchreise für schnellen unverbindlichen Sex. Die Befriedigung, die Claudine aus ihren erotischen Abenteuern zieht, ist die einzige Ausflucht aus ihrem Leben als alleinerziehende Mutter.

von Franziska Keil


© Neue Pierrot Le Fo

Claudine (Jeanne Balibar) lebt allein mit ihrem erwachsenen, an einen Rollstuhl gefesselten und geistig behinderten Sohn Baptiste (Pierre-Antoine Dubey) in einem abgelegenen Haus am Fuße der französischen Alpen. Jeden Dienstag fährt sie mit der Bahn zu einem Hotel, oben in den Bergen, wo sie sich mit immer anderen auf der Durchreise befindlichen Herren trifft. So kann sie ihre sexuellen Bedürfnisse befriedigen, ohne sich binden zu müssen. Bei diesen Begegnungen befragt sie ihre Dates regelmäßig über deren Leben und Erfahrungen. Wieder daheim formuliert sie die Berichte der Männer dann in Briefe um und sendet sie an Baptiste. Unterschreiben tut sie diese jeweils mit dem Namen des schon lange aus ihrer beider Leben verschwundenen Vaters des jungen Mannes. So hofft Claudine ihm ein wenig Trost spenden zu können. Dann lernt sie allerdings den charmanten Michael (Thomas Sarbacher) kennen und verliebt sich in ihn. Aber darf sie überhaupt von einem anderen Leben träumen? Und falls ja, wie soll sie dieses dann dem noch immer auf seinen angeblich nur verreisten Vater wartenden Baptiste erklären?

FASS MICH AN von Regisseur Maxime Rappaz ist ein bemerkenswertes Frauenporträt aus der Schweiz, dass seine Stärke in der Ruhe der Bilder findet. Im Zentrum dieses Filmes stehen nicht so sehr die agierenden Personen, sondern das Berghotel am Fuß eines riesigen Staudamms in 2500 Meter Höhe. Der Regisseur suchte zunächst genau diesen Ort und erzählt rund um diesen Ort seine Geschichte dieser interessanten Frau mit ihrem Doppelleben. Es ist der Gegensatz zwischen Flachland und den Bergen. Zwischen einem routinierten Leben in der Stadt und dem Abenteuer in rauer Umgebung. Der Staudamm fungiert dabei sowohl als Grenze, als auch ein stiller Akteur des Geschehens.

Formal gesehen, wirkt der Film sehr ruhig. Da sind diese wiederholenden Einstellungen, die sich häufig auf das Gesicht dieser Frau fokussieren mit einer intensiven Kamera, die ein bedrückendes Gefühl der Enge vermitteln. Und dann sind da diese Landschaften, die man in diesem Film ganz anders als auf der üblichen Postkartenromantik erlebt. Sie wirken mysteriös, zeitlos und unberechenbar. Wir erleben in diesem Film eine ganz spezielle Heldinnenreise. Die Hauptfigur wandelt sich und emanzipiert sich. Sie artikuliert ihre Wünsche und Entscheidungen. Eine Frau erwacht aus einer traurigen Form der Einsamkeit. Ein Erwachen, festgehalten in entspannten und unaufgeregten Bildern.


FASS MICH AN

ET: 08.03.24: Digital / 21.03.24 | FSK 16
R: Maxime Rappaz | D: Jeanne Balibar, Thomas Sarbacher, Pierre-Antoine Dubey
Schweiz, Frankreich, Belgien 2023 | Neue Pierrot Le Fou



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