New
York, Anfang der 1960er Jahre. Die Musikszene pulsiert und alles ist
geprägt von einer immensen kulturellen Aufbruchstimmung. Ein
geheimnisvoller 19-jähriger aus Minnesota kommt mit seiner Gitarre
und seinem außergewöhnlichen Talent ins West Village –
und wird den Lauf der Geschichte amerikanischer Musik grundlegend
verändern.
Die
1960er-Jahre sind auch in den Vereinigten Staaten von Amerika ein
Jahrzehnt voller Umbrüche. Auch der 19 Jahre alte Bob Dylan (Timothée
Chalamet) lässt sich von dem Strudel der Umwälzungen mitreißen.
Seine Heimat in Minnesota hat er längst hinter sich gelassen
und macht mittlerweile Musik am gefühlten Nabel der Welt: New
York City. Dort, im West Village, lässt er sich mit seiner Gitarre
und jeder Menge Talent im Gepäck von der Musik treiben. Genau
dieses Talent macht schnell die Runde. Von Schubladen hält Dylan
jedoch nur wenig. Mit der Folkbewegung fremdelt er und will sich nicht
von ihr beanspruchen lassen. Er will seinen ganz eigenen Weg gehen
und wirkliche Freunde auf dem unweigerlichen Weg an die Spitze um
sich scharen. Die einen begreifen ihn als Querschläger, der musikalisch
einfach nur gegen den Strich bürsten will, die anderen sehen
in ihm einen genialen Künstler. Jedenfalls scheint eine neue
Zeitrechnung zu beginnen, als er 1965 auf dem Newport Folk Festival
plötzlich mit E-Gitarre auf der Bühne steht.
Am 06. Juni feiert "Like A Complete Unknown"
seine Heimkino-Veröffentlichung auf DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray
und lädt das Publikum ein, in eine narrative Welt einzutauchen,
die sich wohl als existentielle Reflexion oder Charakterstudie verstanden
wissen möchte. Doch trotz einer spürbaren Ambition, Tiefgründigkeit
zu vermitteln, scheitert der Film daran, seine angestrebten thematischen
Höhenflüge zu erreichen und verliert sich stattdessen in
einer diffusen Erzählweise, die den Zuschauer ratlos zurücklässt.
Der Titel "Like A Complete Unknown" suggeriert eine Reise
der Selbstfindung, eine Auseinandersetzung mit Identität oder
vielleicht sogar das Eindringen in unbekannte psychische Territorien.
Leider bleibt die filmische Umsetzung dieser verheißungsvollen
Andeutung weitgehend unerfüllt. Der Film scheint sich an der
Erforschung einer Protagonistenfigur zu versuchen, deren innere Leere
oder äußere Isolation im Mittelpunkt stehen soll. Doch
die narrative Struktur ist so fragmentiert und die Charakterzeichnung
so oberflächlich, dass es dem Publikum kaum gelingt, eine tiefere
Verbindung zu den Geschehnissen oder den Figuren aufzubauen. Die Regiearbeit
scheint sich in einem Spagat zwischen arthouse-affiner Abstraktion
und dem Anspruch einer narrativen Zugänglichkeit zu befinden,
ohne jedoch einen kohärenten Mittelweg zu finden. Die Kamera
verweilt oft auf ästhetisch ansprechenden, doch erzählerisch
redundanten Bildern, die zwar atmosphärisch wirken mögen,
aber keinen substantiellen Beitrag zur Figurenentwicklung oder Plot-Fortschreitung
leisten.
Diese
visuelle Indifferenz spiegelt sich in einem Pacing wider, das zuweilen
zäh wirkt und die Geduld des Zuschauers auf eine unnötige
Probe stellt. Was als meditativer Rhythmus intendiert gewesen sein
mag, gerät zur schlichten Langeweile. Das Drehbuch erweist sich
als eine der größten Schwächen des Films. Die Dialoge,
die wohl als kryptisch oder philosophisch intendiert waren, entpuppen
sich oft als leer und bedeutungslos. Sie vermitteln keine echten Einblicke
in die Gefühlswelt der Charaktere oder in die Konflikte, die
sie angeblich durchleben. Statt eine authentische menschliche Erfahrung
zu evozieren, wirken die Gespräche oft wie konstruierte Versuche,
eine tiefere Bedeutung vorzutäuschen, die nicht eingelöst
wird. Das Fehlen klar definierter Motivationen oder nachvollziehbarer
Handlungsstränge macht es dem Zuschauer nahezu unmöglich,
der emotionalen Reise der Protagonisten zu folgen. Selbst talentierte
Darsteller, deren Präsenz das Potenzial gehabt hätte, die
Schwächen des Skripts zu kompensieren, wirken in diesem Kontext
verschenkt. Ihre Leistungen verpuffen in der Undifferenziertheit der
Charaktere und der fehlenden dramaturgischen Fallhöhe. Es entsteht
der Eindruck, dass die Schauspieler mit einem Material arbeiten mussten,
das ihnen kaum Raum für Entfaltung bot, und somit ihre Fähigkeiten
in einem vakuumartigen Setting verkümmern ließen.
"Like A Complete Unknown" scheitert
letztlich an seiner eigenen Prätention. Er versucht, ein tiefgründiges
Porträt menschlicher Isolation oder die Suche nach dem Sinn zu
zeichnen, doch die Ausführung bleibt so vage und uninspiriert,
dass das Ergebnis weder emotional berührt noch intellektuell
stimuliert. Der Film verliert sich in seinen eigenen philosophischen
Anspielungen und vergisst dabei die Notwendigkeit einer klaren, zugänglichen
Erzählung. Anstatt den Zuschauer in das Ungewisse der menschlichen
Existenz einzutauchen, bleibt er selbst in einem Zustand des Unbekannten
gefangen – unfähig, eine klare Botschaft zu formulieren
oder eine kohärente Vision zu präsentieren. Für all
jene, die auf eine tiefgehende und substanzielle Auseinandersetzung
mit existenziellen Fragen hofften, wird "Like A Complete Unknown"
eine Enttäuschung darstellen. Die Veröffentlichung auf DVD,
Blu-ray und 4K UHD Blu-ray für das Heimkino mag zwar technisch
makellose Bilder in die Wohnzimmer bringen, doch die Leere des Bildschirms
wird dabei leider nicht gefüllt. Man verlässt den Film mit
dem Gefühl, dass eine vielversprechende Idee im Ansatz stecken
geblieben ist und das "Unbekannte" lediglich eine Metapher
für die ungenutzten Möglichkeiten war.
LIKE A COMPLETE UNKNOWN
ET:
06.06.25: DVD, Blu-ray und 4K UHD Blu-ray | FSK 6
R: James Mangold | D: Timothée Chalamet, Edward Norton,
Elle Fanning
USA 2024 | Walt Disney / LEONINE