DVD & BLU-RAY | 01.04.2021

PELIKANBLUT

Als Wiebke nach langem Warten die Chance bekommt, ein weiteres Mädchen, Raya, aus Bulgarien, zu adoptieren, geht für sie und ihre Tochter Nikolina ein langersehnter Wunsch in Erfüllung. Nach der anfänglichen Freude über die neue Schwester, merken Wiebke und Nikolina bald, dass die kleine Raya etwas verbirgt.

von Richard-Heinrich Tarenz


© DCM

Wiebke (Nina Hoss) betreibt nicht nur einen eigenen Reiterhof, auf dem unter anderem Polizeipferde trainiert werden, sondern adoptierte mit Nicolina (Adelia-Constance Ocleppo) auch schon einmal ein osteuropäisches Mädchen – mit Erfolg. Ihr neuer Schützling, die fünfjährige Raya (Katerina Lipovska), macht es ihr da nicht ganz so einfach. Sie beschmiert das Bad mit Fäkalien, spießt tote Tiere auf und zwingt schwächere Kinder zu „Doktorspielen“. Und während selbst die Neurologen glauben, dass eine Besserung nur noch in einer spezialisierten Einrichtung erfolgen kann, will Wiebke nicht aufgeben – und greift zu immer extremeren Methoden...

„Pelikanblut“ von Regisseurin Katrin Gebbe („Tore tanzt“) ist ein spannendes Drama, dass verstört und zu kontroversen Diskussionen führen wird. Der Film ist provokant, glänzend inszeniert und brilliert mit einer Nina Hoss („Yella“), die eine unglaubliche schauspielerische Leistung abliefert. Inhaltlich erinnert der Film an einen anderen deutschen Film, der für großes Aufsehen sorgte. Die Rede ist von „Systemsprenger“, der auf der Berlinale mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde und zudem als deutscher Vertreter ins anstehende Oscar-Rennen ging. Katrin Gebbe geht allerdings in „Pelikanblut“ einen anderen, einen extremeren Weg. Der Film, der im Programm der Filmfestspiele in Venedig lief, steigert das Thema und lotet dabei die Abgründe der menschlichen Seele aus.


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Das traumatisierte Kind in „Pelikanblut“ ist erst fünf Jahre alt und wahrlich kein Sympathieträger. Raya kann keinerlei Empathie oder Liebe empfinden, nachdem das Kind in jungen Jahren schwerwiegende Traumata erlitten hat. Katrin Gebbe setzt als Regisseurin bewusst Stilmittel des Horrorkinos an, um ihre Handlung zu beschleunigen. Die häufig auftretenden Nebelschwaden und die Anfälle von Raya erinnern positiv an bekannte Genrevertreter und erzeugen eine mysteriöse und unheilvolle Stimmung. Das fünfjährige Kind entfernt sich immer mehr aus dem realitätsbezogenen Kontext und wirkt im Verlauf des Films mehr und mehr wie ein von einem Dämon besessenes Wesen. Der film spielt dabei gekonnt mit den Erwartungen der Zuschauerinnen und Zuschauer. Das Ende schließlich hat es in sich und wird für viel Gesprächsstoff und Kontroversen sorgen. Es ist konsequent und absolut passend für das vorherige Geschehen.

Katrin Gebbe erweist sich als konsequente Regisseurin, die keinen Zoll breit von ihrer Vision abzugehen bereit ist. Das ist so erfrischend wie erfreulich. Man muss diesen Film nicht mögen, aber an ihm vorbei kommt man nicht. Nina Hoss in der Hauptrolle liefert eine furiose schauspielerischer Leistung ab. Sie wirkt zu jedem Zeitpunkt glaubwürdig, ihre Handlungen sind konsequent motiviert. Ihre Darstellung als aufopferungsvolle Mutter, die an ihre Grenzen und weit darüber hinaus geht, reißt mit und fesselt auf eine tiefe emotionale Art und Weise. Ihr absolut fester Glauben an die Kraft der Liebe, der bedingungslos ist, erinnert an die Hauptfigur in „Tore tanzt“, einem weiteren Film von Regisseurin Katrin Gebbe. „Pelikanblut“ ist großes Kino, dass nun auf DVD, Blu-ray und online zu bewundern ist.


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PELIKANBLUT [Blu-ray]

Deutschland, Bulgarien 2019 | DCM | 02.04.21 (EST) & 09.04.21 (Blu-ray, DVD und digital)
R: Katrin Gebbe | D: Nina Hoss, Murathan Muslu, Sophie Pfennigstorf | FSK 16

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