KINO | 04.06.2025

DIE BONNARDS

Als der bekannte Maler Pierre Bonnard die selbsternannte Adelige Marthe de Méligny kennenlernt, weiß er noch nicht, dass diese Frau das Zentrum seines zukünftigen Werkes sein wird. Auf über 140 Bildern und 700 Zeichnungen wird sie angezogen oder nackt, als Akt, die Muse seines Lebens.

von Franziska Keil


© Prokino

Pierre Bonnard (Vincent Macaigne) ist längst ein bekannter französischer Maler, als seine Kunst noch einmal eine unerwartete Wendung nimmt: Marthe de Méligny (Cécile de France), die sich selbst gerne als Adlige inszeniert, tritt in sein Leben und verändert für Bonnard schließlich alles. Er erkennt sie als seine Muse und bildet sie immer und immer wieder ab. Am Ende entstehen von Marthe mehr als 140 Gemälde und 700 Zeichnungen. Sie gibt sich jedoch nie mit ihrer Rolle als Muse eines Mannes zufrieden. Sie will selbst Kunst schaffen. Pierre kommt damit nicht sonderlich gut klar und muss sich zunehmend die Frage stellen, wer hier eigentlich welche Rolle ausfüllt.

Am 5. Juni 2025 startet Martin Provosts jüngstes Werk, "Die Bonnards" (Originaltitel: "Bonnard, Pierre et Marthe"), in den deutschen Kinos. Der Film taucht tief ein in das schillernde und doch oft schmerzhafte Beziehungsgeflecht zwischen dem französischen Maler Pierre Bonnard und seiner langjährigen Muse, Lebensgefährtin und späteren Ehefrau Marthe de Méligny. Provost, der sich bereits mit Biopics wie "Séraphine" einen Namen gemacht hat, erweist sich erneut als Meister darin, die inneren Welten von Künstlern und die Dynamik ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen auf die Leinwand zu bannen. "Die Bonnards" ist weit mehr als eine konventionelle Künstlerbiografie; es ist eine sinnliche Studie über die Verschränkung von Liebe, Inspiration und künstlerischem Schaffen. Im Zentrum steht die komplexe, über Jahrzehnte andauernde Beziehung zwischen Pierre (Vincent Macaigne) und Marthe (Cécile de France). Marthe ist nicht nur Bonnards Geliebte, sondern seine unerschöpfliche Inspirationsquelle, eine Obsession, die sich in über 140 Gemälden und 700 Zeichnungen manifestiert. Der Film visualisiert diese künstlerische Besessenheit auf eindringliche Weise, indem er Marthes Präsenz in Bonnards Werken spürbar macht und die Leinwand zum Schauplatz ihrer gemeinsamen Geschichte werden lässt. Provost inszeniert die intime Welt der beiden mit einer visuellen Pracht, die die leuchtenden Farben und die Atmosphäre des Impressionismus einfängt. Die Kinematografie ist selbst ein Kunstwerk, das die ästhetische Sprache Bonnards aufgreift und die Bilder des Films in eine malerische Qualität taucht. Doch hinter der visuellen Brillanz verbirgt sich eine Beziehungsgeschichte, die von Liebe und Verlangen, aber auch von Eifersucht, Verrat und einem tief verwurzelten Kampf um Identität gezeichnet ist.


© Prokino

Marthe ist keine passive Muse; sie ringt um ihre eigene künstlerische Anerkennung und darum, nicht nur als Objekt der Begierde und Inspiration wahrgenommen zu werden. Dieser Konflikt zwischen dem Sein als Subjekt und dem Dasein als Objekt schafft eine spannungsgeladene Dynamik, die den Kern des Dramas bildet. Die schauspielerischen Leistungen von Vincent Macaigne und Cécile de France sind herausragend. Macaigne verkörpert Pierre Bonnard mit einer Mischung aus Genie und Egozentrik, seine Darstellung fängt die Zerrissenheit eines Künstlers ein, der von seiner Vision getrieben wird, aber auch in seinen persönlichen Beziehungen oft blind für die Bedürfnisse der anderen ist. Cécile de France brilliert als Marthe, deren emotionaler Reichtum und innere Zerrissenheit nuanciert dargestellt werden. Sie ist gleichermaßen zerbrechlich und widerstandsfähig, leidenschaftlich und verletzlich. Ihre Performance verleiht Marthe eine eigene Stimme und verhindert, dass sie zur bloßen Projektionsfläche für Bonnards künstlerischen Drang degradiert wird. Die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern ist spürbar und trägt maßgeblich zur Authentizität der dargestellten Beziehung bei. Provost gelingt es, die Komplexität der Liebesbeziehung herauszuarbeiten, ohne sie zu romantisieren oder zu verurteilen.

Er zeigt die Höhen und Tiefen, die Leidenschaft und die Enttäuschungen, die in einer so symbiotischen Verbindung unausweichlich sind. Die Zeitsprünge im Film sind dabei oft fließend, was den Eindruck einer kontinuierlichen Entwicklung und Transformation der Charaktere verstärkt. Trotz seiner vielen Stärken ist "Die Bonnards" kein Film ohne Nuancen. Die teilweise episodische Struktur, bedingt durch die lange Zeitspanne, die der Film abdeckt, erzeugt eine gewisse emotionale Distanz zum Publikum. Manchmal vermisst man eine noch tiefergehende psychologische Exploration bestimmter Konflikte zugunsten der Gesamterzählung. Auch wenn der Fokus auf die Beziehung zu Marthe liegt, werden andere Facetten von Bonnards Leben und seine künstlerische Entwicklung außerhalb dieser Dynamik nur angedeutet. Dennoch überwiegen die Stärken bei Weitem. "Die Bonnards" ist eine visuell betörende und emotional reichhaltige Künstlerbiografie, die ein faszinierendes Porträt einer der prägendsten Beziehungen in der Kunstgeschichte zeichnet. Martin Provosts Film bietet nicht nur Einblicke in das Schaffen eines großen Malers, sondern auch eine universelle Reflexion über Liebe, Muse und das Ringen um individuelle Identität innerhalb einer leidenschaftlichen Verbindung.


DIE BONNARDS

Start: 05.06.25 | FSK 0
R: Martin Provost | D: Cécile de France, Vincent Macaigne, Stacy Martin
Frankreich 2023 | Prokino Filmverleih


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