Im
Arbeiterviertel des alten Marseille ist Rosa das Herz und die Seele
ihrer Nachbarschaft, eine Krankenschwester, Lokalpolitikerin und die
Matriarchin einer großen, eng verbundenen Familie. Rosa findet
immer eine Lösung, alle halten sie für unerschütterlich.
Am
12. Juni startete Robert Guédiguians jüngstes Werk, "Das
Fest geht weiter!", in den deutschen Kinos und erweist sich als
ein filmisches Kleinod, das die Herzen mit seiner tiefen Menschlichkeit
und seinem unerschütterlichen Optimismus berührt. Guédiguian,
ein Meister des sozialkritischen Dramas, der seine filmische Heimat
stets in den Gassen und am Hafen von Marseille findet, liefert erneut
ein sensibles und authentisches Porträt einer Gemeinschaft, die
sich mit den Herausforderungen des Lebens konfrontiert sieht und doch
niemals die Hoffnung verliert. Im Zentrum der Erzählung steht
Rosa (Ariane Ascaride), eine Figur von bemerkenswerter Vitalität
und unermüdlichem Engagement. Trotz ihres fortgeschrittenen Alters
ist sie eine engagierte Aktivistin, die sich mit Leidenschaft für
soziale Gerechtigkeit in ihrer geliebten Stadt einsetzt. Als sie einen
Herzinfarkt erleidet, wird sie symbolisch wie tatsächlich von
Henri, einem ihr zugeneigten Arzt, gerettet. Diese existenzielle Zäsur
wird zum Ausgangspunkt einer vielschichtigen Erkundung menschlicher
Beziehungen und des kollektiven Überlebenskampfes. Henri verliebt
sich in Rosa, doch ihre bereits bestehende Beziehung zu dem Mann,
der sich um ihr Haus kümmert, verkompliziert die emotionalen
Dynamiken auf eine subtile und nachvollziehbare Weise. Parallel zu
Rosas persönlicher Geschichte entfaltet der Film die Lebensrealitäten
ihrer Tochter und ihres Vaters, die ebenfalls mit den Widrigkeiten
des Lebens in der Arbeiterklasse Marseilles ringen. Guédiguian
verzichtet auf plakative Schwarz-Weiß-Zeichnungen und taucht
stattdessen tief in die Grautöne des Alltags ein. Er beleuchtet
die komplexen Verflechtungen innerhalb einer Familie und einer Gemeinschaft,
die sich den sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihrer Zeit
mit einer Mischung aus Trotz und Zärtlichkeit stellen. Der Regisseur
inszeniert diese Kämpfe nicht mit Pathos, sondern mit einem Realismus,
der von einer tiefen Empathie für seine Charaktere getragen wird.
"Das Fest geht weiter!“ ist ein Paradebeispiel für
Guédiguians charakteristischen Stil, der einen poetischen Realismus
mit einer fast dokumentarischen Authentizität verbindet. Die
Stadt Marseille ist mehr als nur Kulisse; sie ist ein lebendiger Organismus,
ein weiterer Hauptdarsteller, dessen Ecken und Kanten, dessen Schönheit
und Härte die Charaktere formen.
Die
Kameraarbeit fängt die Essenz dieser Hafenstadt ein, von den
lebhaften Märkten bis zu den stillen Wohnungen, in denen sich
die Schicksale der Menschen abspielen. Die Dialoge sind organisch
und lebensnah, geprägt von den Nuancen des südfranzösischen
Idioms und einer aufrichtigen Menschlichkeit. Die schauspielerischen
Leistungen tragen maßgeblich zur Wirkung des Films bei. Ariane
Ascaride verkörpert Rosa mit einer unnachahmlichen Mischung aus
Stärke, Verletzlichkeit und sprühender Lebensfreude. Ihre
Präsenz ist magnetisch, und sie trägt die emotionale Last
der Erzählung mit großer Bravour. Jean-Pierre Darroussin,
Gérard Meylan und Anaïs Demoustier ergänzen das Ensemble
perfekt und verleihen ihren Figuren eine Glaubwürdigkeit, die
den Zuschauer unmittelbar in ihre Welt hineinzieht. Die Chemie zwischen
den Darstellern ist spürbar und verstärkt das Gefühl
einer eng verbundenen Gemeinschaft. Trotz der thematisierten Härten
und sozialen Missstände verfällt " Das Fest geht weiter!"
niemals in Verzweiflung. Guédiguian gelingt es, eine Botschaft
des leisen Optimismus zu vermitteln, die in der Solidarität der
Gemeinschaft, der Liebe innerhalb der Familie und der unermüdlichen
Fähigkeit des Menschen, sich anzupassen und weiterzukämpfen,
begründet liegt. Das "Fest", das im Titel anklingt,
ist nicht das einer unbeschwerten Feier, sondern das des Lebens selbst
– eine fortwährende Huldigung an die menschliche Widerstandsfähigkeit
und die kleinen Freuden des Alltags, die inmitten von Herausforderungen
gefunden werden können. Der Film ist eine Hommage an diejenigen,
die im Verborgenen kämpfen, und eine Erinnerung daran, dass Menschlichkeit
und Hoffnung auch in schwierigen Zeiten blühen können. "Das
Fest geht weiter!" ist ein zutiefst bewegendes und wichtiges
Werk, das durch seine sensible Darstellung von Solidarität und
seinen nuancierten Blick auf die Lebensrealität einfacher Menschen
besticht. Robert Guédiguian hat einen Film geschaffen, der
nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt und das
Publikum mit einem Gefühl der Verbundenheit und einem erneuerten
Glauben an die Stärke des menschlichen Geistes entlässt.
Ein Muss für Liebhaber des europäischen Autorenkinos und
alle, die eine Geschichte suchen, die mit Herz und Seele erzählt
wird.
DAS FEST GEHT WEITER
Start:
12.06.25 | FSK 12
R: Robert Guédiguian | D: Ariane Ascaride, Jean-Pierre Darroussin,
Lola Naymark
Frankreich, Italien 2023 | Film Kino Text