KINO | 11.06.2025

DER LETZTE TAKT

In Reykjavik kämpft ein kleines isländisches Kammerorchester ums Überleben. Die staatliche Förderung steht vor dem Aus – bis sich eine unerwartete Chance ergibt: Ein weltberühmter isländischer Cellist kehrt nach Jahrzehnten in die Heimat zurück. Seine bloße Anwesenheit könnte dem Orchester die dringend benötigte Aufmerksamkeit schenken und ihre Zukunft sichern.

von Richard-Heinrich Tarenz


© mindjazz pictures

Am 12. Juni startet in den Kinos mit "Der letzte Takt" (Originaltitel: "Fullt hús") eine isländische Komödie von Sigurjón Kjartansson, die das vielversprechende Potenzial einer humorvollen Auseinandersetzung mit der Welt der klassischen Musik und menschlicher Abgründe birgt. Doch trotz eines interessanten Grundkonzepts und der Ambition, künstlerische Eitelkeit und kollektive Dynamiken zu beleuchten, verliert der Film im Laufe seiner Erzählung zunehmend an Präzision und verfängt sich in einer Art disharmonischem Klangteppich, der seine Botschaft trübt. Die Prämisse ist reizvoll: Ein kleines Kammerorchester in Reykjavík kämpft verzweifelt um sein Überleben, da die staatliche Förderung zu versiegen droht. Der rettende Anker scheint in der Person des international gefeierten Cellisten Klemens zu liegen, der in seine Heimat zurückkehrt und sich bereiterklärt, dem Ensemble beizutreten. Diese Ausgangssituation bietet eine Fülle von Möglichkeiten für Satire und tiefgründige Charakterstudien. Das Scheitern eines vermeintlich elitären Kunstbetriebs, der Kampf kleiner Ensembles gegen finanzielle Not, die Dynamik zwischen Amateur- und Profimusikern – all das sind fruchtbare Böden für eine scharfsinnige Komödie. Doch "Der letzte Takt" nutzt dieses Potenzial nur bedingt aus. Klemens entpuppt sich schnell als unerträglicher Tyrann, dessen brillante musikalische Darbietungen von zunehmend destruktivem Verhalten begleitet werden. Dies ist zwar ein etabliertes Motiv des "genialen, aber schwierigen Künstlers", doch der Film verharrt zu oft an der Oberfläche dieses Klischees. Anstatt die psychologischen Mechanismen von Klemens' Tyrannei genauer zu beleuchten oder die Ursachen seiner Arroganz zu ergründen, bleibt seine Figur weitgehend eine Karikatur. Die dramatische Zuspitzung auf den Tag des entscheidenden Konzerts hin wirkt ebenfalls konventionell und birgt wenig überraschende Wendungen, die den Zuschauer wirklich fesseln könnten. Die Komödie speist sich häufig aus der Überzeichnung, doch "Der letzte Takt" gerät hier bisweilen ins Stolpern. Die Gags wirken nicht immer organisch aus den Situationen oder Charakteren heraus entwickelt, sondern erscheinen manchmal forciert oder überzogen. Der Humor driftet vereinzelt in den Klamauk ab, was dem eigentlich subtilen Thema des Überlebenskampfes eines Künstlerkollektivs nicht immer zuträglich ist.


© mindjazz pictures

Eine Komödie kann pointiert sein, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren, doch hier scheint der Film den richtigen "Takt" oft nicht zu finden. Auch die Darstellung der Ensemblemitglieder und ihrer individuellen Marotten bleibt größtenteils rudimentär. Sie dienen primär als Reibungsfläche für Klemens' Exzentrizitäten, ohne selbst ausreichend Raum für eigene Entwicklung oder tiefere Einblicke in ihre Persönlichkeiten zu erhalten. Dies führt dazu, dass das Publikum Schwierigkeiten haben könnte, eine echte emotionale Verbindung zu den Figuren aufzubauen. Das Gefühl, mit einem Orchester mitzufiebern, das um seine Existenz ringt, wird durch die oft eindimensionalen Charaktere und die mangelnde psychologische Nuancierung geschwächt. Ein weiterer Kritikpunkt liegt in der Auflösung der Konflikte. Während der Film versucht, sich als Mischung aus Komödie und Drama zu präsentieren, gelingt die Integration dieser Elemente nicht immer nahtlos. Die Abgründe menschlicher Persönlichkeiten, die angeschnitten werden, werden selten konsequent ausgelotet, und die Dramatik verflüchtigt sich oft zugunsten eines vorhersehbaren komödiantischen Auswegs. Die Balance zwischen den "leisen" und "großen Tönen" des Films scheint gestört. Wo eine subtile Dissonanz den Charakteren und der Geschichte Tiefe verleihen könnte, wählt der Film stattdessen oft einen eindeutigen und manchmal zu einfachen Akkord. Obwohl "Der letzte Takt" zweifellos Momente des Schmunzelns bietet und einen interessanten Einblick in die isländische Filmlandschaft gibt, verpasst er die Chance, sein reizvolles Konzept zu einer wirklich scharfsinnigen und nachhaltig wirkenden Komödie zu formen. Die dramatische Zuspitzung und die Darstellung der Charaktere bleiben an der Oberfläche, wodurch der Film sein Potenzial nicht voll ausschöpfen kann. Für Zuschauer, die eine leichte Komödie suchen und über die oberflächlichere Charakterzeichnung hinwegsehen können, mag "Der letzte Takt" eine kurzweilige Unterhaltung bieten. Wer jedoch eine tiefgründigere Auseinandersetzung mit künstlerischer Eitelkeit und menschlichen Beziehungen im Kontext einer Krise erwartet, wird möglicherweise den Eindruck gewinnen, dass der Film am Ende doch nicht den gewünschten Ton getroffen hat.


DER LETZTE TAKT

Start: 12.06.25 | FSK 16
R: Sigurjón Kjartansson | D: Helga Braga Jónsdóttir, Hilmir Snær Guðnason
Island 2024 | mindjazz pictures



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