Einst
war New Rome der Nabel der Welt, das Zentrum der Macht, unangreifbar,
unverletzlich. Doch Korruption und Gier haben die Metropole ausgehöhlt,
der Zahn der Zeit nagt an den kolossalen Bauten, die sich gen Himmel
recken. Einer hat nicht aufgehört, große Träume für
New Rome zu haben: Cäsar Catilina, Nobelpreisträger und
genialer Erfinder des Zauberstoffs Megalo, hat eine Vision, wie es
wieder bergauf gehen, eine bessere Zukunft für alle Menschen
entstehen kann.
Macht,
Geld und Gier sind der Niedergang der Menschheit – das zeigt
ein Blick in die Geschichte und auch auf New Rome. Einst schillernde
Metropole, heute ein Moloch der Korruption mit den nur noch im Rückspiegel
erkennbaren besten Zeiten. Die prunkvolle Architektur zerfällt
mehr und mehr, der Untergang New Romes scheint unausweichlich und
nur noch eine Frage der Zeit. Doch damit will sich Cäsar Catiling
(Adam Driver) nicht abfinden. Der Künstler, nobelpreisgekrönter
Erfinder und Visionär hat nicht nur einen Traum, sondern auch
einen tatsächlichen Plan, wie New Rome wieder zu alter Stärke
zurückfinden könnte. Wem das gar nicht passt, ist Bürgermeister
Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito). Veränderung und Fortschritt
würden an seinem Thron kratzen. Er will jedoch um jeden Preis
am Status Quo, also seiner Macht und seinem Reichtum festhalten. Doch
ausgerechnet seine Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) scheint als dessen
Geliebt an der Seite Cäsars zu stehen. Ein erbitterter Kampf
um Macht, Zukunft und die Liebe entbrennt.
Francis
Ford Coppola, ein Name, der in der Filmgeschichte mit Meisterwerken
wie „Der Pate“ und „Apocalypse Now“ verbunden
ist, hat sich über die Jahrzehnte als einer der einflussreichsten
Regisseure etabliert. Seine Filme sind nicht nur technische Meisterwerke,
sondern auch tiefgründige Erkundungen menschlicher Natur und
gesellschaftlicher Strukturen. Mit „Megalopolis“, einem
Projekt, das seit den 1980er Jahren in der Entwicklung ist und jetzt
seinen Weg in die Kinos weltweit fand, hat Coppola versucht, seine
Vision einer utopischen Stadt zu verwirklichen – ein Vorhaben,
das sowohl ambitioniert als auch problematisch war. „Megalopolis“
sollte ursprünglich eine epische Geschichte über den Bau
einer idealen Stadt im Kontext des urbanen Wandels und der sozialen
Konflikte erzählen. Coppola wollte die Herausforderungen und
Möglichkeiten erforschen, die mit dem Streben nach einer perfekten
Gesellschaft verbunden sind. In einer Zeit, in der Themen wie Urbanisierung
und soziale Gerechtigkeit immer relevanter werden, hätte „Megalopolis“
eine bedeutende Reflexion über die menschliche Ambition und den
Preis des Fortschritts sein können.
Die
Idee eines utopischen Projekts spiegelt sich bereits in Coppolas früheren
Arbeiten wider. In Filmen wie „Der Pate“ wird die Komplexität
von Machtstrukturen und familiären Bindungen thematisiert, während
„Apocalypse Now“ die Abgründe des Krieges und der
menschlichen Psyche beleuchtet. Diese Themen sind auch in „Megalopolis“
präsent. Die Produktionsgeschichte von „Megalopolis“
ist geprägt von Schwierigkeiten und Rückschlägen. Ursprünglich
für die 1980er Jahre geplant, wurde das Projekt aufgrund finanzieller
Probleme und kreativer Differenzen immer wieder verschoben. Coppola
selbst hat in Interviews betont, dass er an dem Film festhält,
weil er an die Relevanz seiner Botschaft glaubt. Der Film, der über
Jahrzehnte in der Entwicklung war, ist ein ambitioniertes Unterfangen.
Doch
während die Vision hinter „Megalopolis“ faszinierend
ist, bleibt die Ausführung oft fragmentiert und chaotisch. In
der ersten Hälfte des Films wird das Publikum in eine Welt eingeführt,
deren Zusammenhänge nur schwer zu erfassen sind. Die Handlung
wirkt lose und unstrukturiert; es ist nicht sofort klar, worum es
eigentlich geht. Diese Unklarheit zieht sich durch den gesamten Film
und führt dazu, dass die Zuschauer oft mehr mit den skurrilen
Einzelmomenten beschäftigt sind als mit einer kohärenten
Erzählung. Die zweite Hälfte des Films bringt zwar etwas
mehr Schwung in die Geschichte, doch auch hier bleibt der Fokus auf
den bizarren und oft surrealen Momenten. Diese Kombination aus hochtrabenden
Ideen und plumpem Humor sorgt für einen ständigen Wechsel
zwischen Faszination und Frustration. Der namhafte Cast von „Megalopolis“,
zu dem unter anderem Adam Driver, Jon Voight und Shia LaBeouf gehören,
schwankt schauspielerisch zwischen beeindruckenden Darbietungen und
amateurhaftem Spiel. In einigen Szenen scheinen die Schauspieler Shakespeare
zu zitieren, während sie in anderen eher an Schultheateraufführungen
erinnern. Diese Unbeständigkeit trägt zur allgemeinen Verwirrung
des Films bei und lässt den Zuschauer oft ratlos zurück.
Besonders
auffällig ist Jon Voights Auftritt als römischer Robin Hood.
Seine grotesken Auftritte sind nicht nur amüsant, sondern werfen
auch Fragen nach dem Tonfall des Films auf: Ist dies ernst gemeint
oder handelt es sich um eine bewusste Parodie? Coppola nutzt in „Megalopolis“
eine Vielzahl von Stilmitteln und Verfremdungseffekten. Diese experimentellen
Ansätze machen den Film zu einem der kühnsten seiner Zeit.
Doch während einige Zuschauer diese Vielfalt als künstlerischen
Ausdruck feiern könnten, empfinden andere sie als prätentiös
oder gar verwirrend. „Megalopolis“ ist ein prätentiöser
Egotrip und visionäre Kulmination eines überragenden filmischen
Schaffens zugleich. Während Coppola ohne Zweifel ein talentierter
Filmemacher ist, stellt sich die Frage, ob er mit diesem Projekt nicht
über seine eigenen Ambitionen hinausgeschossen ist. Der Film
könnte als Manifest seiner künstlerischen Freiheit interpretiert
werden – gleichzeitig jedoch auch als Beispiel dafür, wie
weit man gehen kann, bevor man das Publikum verliert.
Unabhängig
von „Megalopolis“ bleibt Francis Ford Coppolas Einfluss
auf die Filmgeschichte unbestritten. Seine Fähigkeit, komplexe
Charaktere zu schaffen und tiefgründige Themen zu behandeln,
hat Generationen von Filmemachern inspiriert. Filme wie „Der
Pate“, der oft als einer der besten Filme aller Zeiten angesehen
wird, haben nicht nur Maßstäbe für das Geschichtenerzählen
gesetzt; sie haben auch das Genre des Gangsterfilms neu definiert.
Coppolas Werke sind oft geprägt von moralischen Dilemmata und
dem Streben nach Macht – Themen, die auch in unserer heutigen
Gesellschaft relevant sind. Seine Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung
mit diesen Themen macht ihn zu einem zeitlosen Filmemacher.
MEGALOPOLIS
Start:
26.09.24 | FSK 12
R: Francis Ford Coppola | D: Adam Driver, Giancarlo Esposito,
Nathalie Emmanuel
USA 2024 | Constantin Film Verleih