KINO | 18.09.2024

SPEAK NO EVIL

Eine amerikanische Familie möchte ein erholsames Wochenende im Landhaus ihrer britischen Freunde verbringen, die sie kurz zuvor im Urlaub kennengelernt hat. Doch was als traumhafter Kurztrip geplant war, gerät schon bald in Schieflage und wird zu einem verstörenden Albtraum.

von Richard-Heinrich Tarenz


© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.

Natürlich kann die amerikanische Familie bei diesem Angebot einfach nicht widerstehen: Eine Familie aus Großbritannien, die sie erst kurz vorher im Urlaub kennengelernt und sich ziemlich gut mit ihnen angefreundet haben, lädt sie ein, gemeinsam übers Wochenende im Haus auf dem malerischen britischen Land zu entspannen. Doch von Entspannung kann schnell keine Rede mehr sein, als die Stimmung nach einem Vorfall kippt, sich menschliche Abgründe auftun und aus dem ländlichen Paradies ein albtraumhafter Ort wird.

Zwei Jahre nach der Veröffentlichung von Christian Tafdrups „Speak No Evil“, einem Film, der als „der verstörendste Film der dänischen Kinogeschichte“ gilt, bringt Hollywood eine Neuauflage auf die Leinwand. Produziert von Blumhouse, dem Studio hinter Hits wie „Five Nights At Freddy’s“, und inszeniert von James Watkins, bekannt für den psychologischen Horrorfilm „Eden Lake“, könnte man erwarten, dass das Remake die düstere Essenz des Originals einfängt. Doch wie so oft bei Hollywoods Adaptionen internationaler Genre-Geheimtipps zeigt sich, dass die Angst vor der eigenen Courage oft zu einer Verwässerung des ursprünglichen Konzepts führt.

Im Kern bleibt die Prämisse des Films unverändert: Ein Londoner Paar, Louise und Ben, wird in eine unangenehme Situation verwickelt, als sie sich mit einem anderen Paar anfreunden. Die Bedrohung entsteht nicht durch klassische Horrormotive wie Sex oder Drogenkonsum, sondern durch das Versagen der Protagonisten, die sozialen Normen und Höflichkeiten zu missachten. Diese subtile Herangehensweise an den Horror ist sowohl faszinierend als auch frustrierend.


© 2024 Universal Studios. All Rights Reserved.

Während das Original geschickt mit den schleichenden Grenzüberschreitungen spielt – sei es das ungebetene Verschieben einer Liege am Pool oder das Ignorieren von Vegetarismus – bleibt das Remake in diesen Momenten oft blass und weniger eindringlich. Die Charaktere ertragen die zunehmende Unannehmlichkeit, während der Zuschauer zunehmend frustriert ist über ihre Passivität. Diese Dynamik ist ein zentrales Element des Originals und wird im Remake zwar übernommen, jedoch nicht mit derselben Intensität vermittelt. James McAvoy gibt in der Rolle des Paddy einen schauspielerisch starken Auftritt ab. Er spielt mit einer Intensität, die sowohl fesselnd als auch beunruhigend ist. Doch während er beeindruckt, bleibt die Frage offen, ob diese Überzeichnung nicht auch zur Entwertung der subtileren Schattierungen beiträgt, die im Original so meisterhaft eingefangen wurden.

Die Chemie zwischen den Charakteren leidet unter dem übertriebenen Spielstil McAvoys; es fehlt an den feinen Nuancen, die notwendig sind, um die schleichende Bedrohung glaubhaft zu machen. Stattdessen wird der Zuschauer in eine Welt geworfen, in der die Grenzen zwischen Zivilisation und Wahnsinn klarer gezogen sind – ein Umstand, der dem psychologischen Terror des Originals nicht gerecht wird. Ein weiterer entscheidender Punkt ist das Finale des Films. Wer das dänische Original kennt, weiß bereits um dessen nihilistischen Tiefschlag – ein Ende, das den Zuschauer mit einem Gefühl des Zweifels an der Menschheit zurücklässt.

Das Remake hingegen knickt vor dem vermeintlichen Geschmack des Mainstream-Publikums ein und bietet einen konventionellen Home-Invasion-Showdown. Dieser Schlussakkord wirkt nicht nur deplatziert; er entwertet auch die bis dahin aufgebaute Spannung und den psychologischen Terror. Statt eines finalen Schocks bleibt nur ein fades Ende zurück, das schnell vergessen wird und keinen bleibenden Eindruck hinterlässt. Während das Original mit seiner düsteren Botschaft nachhallt, hinterlässt das Remake lediglich Fragen nach Hollywoods Fähigkeit zur kreativen Risikobereitschaft.


SPEAK NO EVIL

Start: 19.09.24 | FSK 16
R: James Watkins | D: James McAvoy, Mackenzie Davis, Aisling Franciosi
USA, Dänemark 2024 | Universal Pictures Germany


AGB | IMPRESSUM