KINO | 06.03.2024

Leila ist eine iranisch-amerikanische junge Frau, die versucht, ihre beiden so gegensätzlichen und verfeindeten Kulturen in Einklang zu bringen - was nicht immer ganz einfach ist. Dabei stellt sie auch die Etiketten in Frage, die Familie und die Gesellschaft ihr kurzerhand verpassen.

von Richard-Heinrich Tarenz


© SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC. / SONY PICTURES CLASSICS

Als eine große iranisch-amerikanische Familie zusammenkommt, wird ein Familiengeheimnis aufgedeckt, das die entfremdete Mutter Shireen (Niousha Noor) und Tochter Leila (Layla Mohammadi) in die Vergangenheit katapultiert, in der sie entdecken, dass sie sich ähnlicher sind, als sie dachten. Denn Leila führt quasi ein Doppelleben und versucht sich so gut wie möglich an die beiden Welten, in denen sie lebt, anzupassen. Denn jede dieser Welten stellt Anforderungen an die junge Frau, denen sie unbedingt gerecht werden will. Auf der einen Seite ihre konservative Familie, auf der anderen ihre liberalen Freunde und ein Mann, den ihre Eltern ganz bestimmt nie für sie ausgewählt hätten. Als die ganze Familie wegen der Herztransplantation ihres Vaters zusammenkommt, droht ihr geheimes Privatleben aufzufliegen. Und so kommt es dann auch – allerdings anders, als sie erwartet hatte.

„The Persian Version“ von Regisseurin Maryam Keshavarz („Sharayet - Eine Liebe in Teheran“) ist eine cineastische Auseinandersetzung mit dem schwierigen Verhältnis zwischen den USA und dem Iran. So spiegelt sich das Innere im Äußeren. Die wechselhafte Beziehung der beiden Staaten, die in einer bitteren Scheidung endete, wird sichtbar und emotional greifbar im Schicksal einer Familie, deren Kinder zwischen den Kulturen stehen. Leila, die Hauptfigur in diesem Film, aufgewachsen mit acht Brüdern, ist im übertragenen Sinne ein Scheidungskind. Hin- und hergerissen zwischen zwei Kulturen mit ihren Ansprüchen und Realitäten. Das Resultat dieser cineastischen Betrachtung ist ein gelungenes und sehenswertes Familiendrama mit bittersüßen komödiantischen Elementen. Ein Film, der für Gesprächsstoff sorgen wird und den man sich nicht entgehen lassen sollte.

Schon die ersten Minuten setzen den erzählerischen und inhaltlichen Ton für diesen Film. Wir begleiten die Leila, Autorin und Filmemacherin auf eine Halloween-Party in New York, wo sie mit einem Kostümmix aus Burka und Bikini den Preis für das beste Kostüm gewinnt, mit einem Drag-Akteur im Bett landet und immer noch ihrer Ex-Ehefrau nachtrauert.


© SONY PICTURES ENTERTAINMENT INC. / SONY PICTURES CLASSICS

Wir lernen Leilas Familie kennen. Da ist ihre Mutter, die mit dem Lebensstil ihrer Tochter wenig anfangen kann und sie ständig kritisiert. Und da ist noch ihre Großmutter, zu der Leila eine sehr viel besseres Verhältnis als zu ihrer Mutter hat. Eine Familie, die voller Geheimnisse ist. In der ersten Hälfte des Films geht es turbulent und hektisch zu. In zahlreichen Rückblenden wird Leilas Vergangenheit und die ihrer Familie erzählt. Hier kann sich der Film inszenatorisch in vollen Zügen austoben und beweist ein hohes Maß an Kreativität.

In der zweiten Filmhälfte steht der Mutter-Tochter-Konflikt im Mittelpunkt. Das Publikum erfährt in Rückblenden mehr über die Vergangenheit der Mutter. Diese erzählerische Ebene geht zu Herzen und bringt einen ernsten Unterton in diesen Film. In diesen Szenen entwickelt der Film seine erzählerische Kraft und entwickelt ein generationenübergreifendes Porträt dreier Frauen, die jede für sich in ihrer Zeit einen Kampf um Selbstbestimmung und Selbstermächtigung führen mussten. Männer spielen in diesem Familiendrama eine untergeordnete Rolle. Der Blick in die Vergangenheit lässt die Distanz von Leila zu ihrer Mutter schwinden. Der Film funktioniert so gut, weil die beiden Darstellerinnen, Layla Mohammadi und Niousha Noor eine grandiose schauspielerische Leistung abliefern. Der Film findet die perfekte Balance zwischen ernsten und lustigen Momenten. Das Ergebnis ist ein Highlight in diesem noch jungen Kinojahr. „The Persian Version“ bietet eine zu Herzen gehende Geschichte, eingebettet in die große Weltpolitik, ohne erzählerisch den Fokus zu verlieren und überzeugt mit einer kreativen Inszenierung.

ZUR PERSON
Maryam Keshavarz (Jahrgang 1975) ist eine iranisch-US-amerikanische Filmproduzentin, Filmregisseurin und Drehbuchautorin. Sie machte einen Bachelorabschluss in Vergleichender Literaturwissenschaft und einen MA im Fach Nahoststudien. Bevor sie sich dem Film zuwandte, war sie einige Zeit als Wissenschaftlerin in der Abteilung Literatur und Linguistik an der Universität Schiras im Iran tätig. An der Tisch School of the Arts erhielt Keshavarz einen Master of Fine Arts (MFA) in der Abteilung Regie.


THE PERSIAN VERSION

Start: 14.03.24 | FSK 12
C: Maryam Keshavarz | D: Layla Mohammadi, Shervin Alenabi, Bijan Daneshmand
USA 2023 | Sony Pictures Germany



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