KINO | 29.09.2020

Brave Mädchen tun das nicht

Statt in Liebeskummer zu versinken, viel Eis zu essen und noch mehr Tränen zu vergießen, entschließt sich Lucy kurzerhand ihren Ängsten auf den Grund zu gehen und stellt gleich eine ganze Liste auf, die sie von „Pornophobie“ befreien soll. Die hatte ihr nämlich kurz zuvor ihr Ex attestiert. Doch so leicht lässt sie sich nicht unterkriegen.

von Franziska Keil


© Telepool

Eigentlich hat die Violinistin Lucy Neal (Lucy Hale) ihr Leben dank Post-its und zahlreicher To-Do-Listen voll im Griff. Sie hat sich so unter Kontrolle, dass sie eigentlich nichts erschüttern kann - eigentlich! Denn sie erwischt ihren Freund Jeff (Stephen Friedrich) mit einem Pornofilm, was Lucys heile Welt ganz schön ins Wanken bringt. Sie stellt ihn vor die Wahl: Entweder widmet er sich voll und ganz seiner Freundin oder seinen Pornos. Beides zusammen geht nicht. Jeff macht kurzen Prozess, bezeichnet Lucy als verklemmt und trennt sich von ihr. Dass sie verklemmt sein soll, kann die Musikerin nicht auf sich sitzen lassen und erstellt daraufhin eine Sex-to-do-Liste, mit all den Dingen, die sie im Bett noch erleben will. Unterstützung erhält sie dabei von ihren Freunden aus dem Streichquartett, die ihr mit Freuden dabei helfen, die Liste abzuarbeiten. Von nun an geht es für Lucy in Stripclubs, Sexshops und Pornomessen und dabei stellt sie fest, dass man nicht nur viel über das sexuelle Vergnügen lernt, sondern auch eine Menge über die wahre Liebe…


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Der Film startet mit Lucy (Lucy Hale), die mit ihrem Freund Jeff (Stephen Friedrich) zusammenlebt. Bei ihnen funktioniert die sexuelle Ebene nicht wirklich und sie denkt lieber an ihre Einkaufslisten, anstatt sich der Leidenschaft hinzugeben. Vermutlich liegt das daran, dass sie eigentlich gar keinen Spaß daran hat und es nur tut, um ihm einen Gefallen zu tun. Es kommt zum Streit über ihr Sexleben und als sie zusätzlich entdeckt, dass er regelmäßig Pornos online anschaut, setzt sie ihm ein Ultimatum. Soweit so gut, es ist zwar etwas überspitzt, denn wenn man im Bett gerade an etwas anderes denkt, wird man es sicherlich nicht laut herausschreien und auch nicht unterbrechen, was man gerade tut, nur um „glutenfreie Waffeln“ auf den Einkaufszettel zu schreiben, aber die Geschichte braucht natürlich einen Aufhänger, damit sie sich auf die Reise ihrer „sexuellen Erweckung“ machen kann. Man ist nur leider an diesem Punkt etwas irritiert. Denn es ist schon etwas unrealistisch, dass man vier Jahre Beziehung hinter sich hat und dann erst – wenn es eh schon knallt – die Pornos entdeckt. Zum Glück packt Jeff seine Sachen und zieht aus, denn man darf wirklich niemandem wünschen, dass sich der Partner für Pornos, anstatt für seine Partnerin entscheidet. Offensichtlich ist er nicht in der Lage Rücksicht zu nehmen und anstatt gemeinsam darüber zu reden, endet die Beziehung abrupt. Das ist der Einstieg in die Geschichte, der aber einen bitteren Nachgeschmack zurücklässt. Denn eine Beziehung ist doch mehr als die sexuelle Erfüllung, die man in der Partnerschaft findet. Im besten Fall, haben sie einfach gar nicht zueinander gepasst.

Nach diesem wenig vielversprechenden Start biegt die Geschichte zum Glück ab und es entwickelt sich eine charmante Liebesgeschichte. Denn als sie auf einer Hochzeit mit ihrem Streichquartett anwesend ist, begegnet ihr der attraktive Grant (Leonidas Gulaptis). Allerdings natürlich genau in dem Moment, in dem sie versucht „HOT THROBLING COCK“ in einem Satz unterzubringen. Tja und so geht es dann auch immer weiter. Sie bemüht sich alle sexuellen Erfahrungen nachzuholen, aber natürlich ohne WIRKLICH Sex zu haben. Das bedeutet in einen Stripclub zu gehen, Pornos zu sehen, Schundromane zu lesen, einen Sexshop zu besuchen und so weiter. Seltsamerweise ist Grant ungefähr überall, wo sie auch ist und rettet sie auch dann und wann aus einer kompromittierenden Situation. (Wer hat sich denn nicht schon mal Erektionscreme auf die Lippen geschmiert?!)


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Leider bewegen sich die lustigen Momente auf dem Niveau von Teenagern, die mit Sex nichts am Hut haben, was aber auch gar nicht so wichtig ist. Denn eigentlich dient diese ganze Kulisse nur dazu, die Beziehungen von Menschen zu illustrieren und das klappt sehr gut. Der Film packt einen immer dann, wenn es nicht um die große Show geht, sondern um die kleinen Töne. In einer Szene sitzen Lucy und ihre Freundin Pricilla (Mindy Cohn) auf einer Bank, nachdem sie zuvor im Regen spazieren gegangen sind. In diesem Moment sieht man genau, wie sehr sie einander schätzen. Oder auch die vielen anderen Gelegenheiten, in denen sie mit ihren Freunden zu sehen ist. Wahre Freundschaft – das zeigt sich – hält wirklich auch jede blöde Phase aus und dann schaut man eben auch mal Pornos gemeinsam, während man für einen wichtigen Auftritt probt. Neben der vordergründigen Geschichte und den „Exkursen“ über Freundschaft, geht es eigentlich für Lucy darum, sich selber zu beweisen, dass sie nicht mehr Mädchen, sondern tatsächlich Frau ist. Diese Entwicklung wird vor allem durch die Musik deutlich. Damit ist nicht das Sounddesign gemeint, sondern tatsächlich, was von ihr auf der Violine gespielt wird. Tolle Szenen!

Insgesamt ist „Brave Mädchen tun das nicht“ (OT: „A Nice Girl like you“) eine schöne Komödie, die vermutlich auch sehr gut ohne die sexuelle Komponente in Form von abhakbaren Punkten auf einer To-Do-Liste ausgekommen wäre. Der Film spielt uns nicht vor, hohe Filmkunst zu sein, ist er doch sehr konventionell inszeniert. Das macht aber nichts: An einem üsseligen Herbsttag mit einer Tasse Tee und vielen Plätzchen sicherlich ein Film, den man sich gut anschauen kann.


BRAVE MÄDCHEN TUN DAS NICHT

USA 2019 | capelight pictures | Start: 24. September 2020 (FSK 12)
R: Nick Riedell, Chris Riedell | D: Lucy Hale, Mindy Cohn, Jackie Cruz


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